Josef Pillhofer

Josef Pillhofer

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90,300,0,50,12,25,50,1,70,12,1,50,1,0,1,5000
1963
Josef Pillhofer, Negerin
1981
Josef Pillhofer, Atelier
1980
Josef Pillhofer, Römische Stimmung (Braunsberg)
1981
Josef Pillhofer, Atelier
Detail, 1980/81
Josef Pillhofer, Römisches Mädchen
1950
Josef Pillhofer, Paris 1950 (2)
Detail, 1972
Josef Pillhofer, Entwurf für Ehrengräber
1981
Josef Pillhofer, Katalogumschlag
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Werner Fenz – Josef Pillhofer: Gespräche bei der Katalogarbeit

Josef Pillhofer, Atelier, 1981

Josef Pillhofer, Atelier, 1981

W.F.: Ihre Ausstellung steht unter dem Titel >>Das Gestalthafte in der Natur<<. Damit scheint mir bereits ein wesentlicher Einstieg in den Problemkreis möglich, der Sie beschäftigt. Das heißt, es geht um das Gestalthafte, also um Form und Figur, in ihren mannigfaltigsten Erscheinungen, und es geht um ein Bezugsfeld zur Natur. Würden Sie eine Einheit der beiden Pole Gestalt und Natur als durchgehend wesentlich für Ihr bisheriges Schaffen bezeichnen?

J.P.: Ich glaube, daß Natur begriffen werden muß. In dem Wort Begriff ist schon eine Reduktion eingeschlossen, eine Reduktion auf das Wesentliche, was man an einer Sache begreifen kann. Man begreift nicht die Totalität eines Gegenstandes in der Natur, sondern das, was vom Anschaulichen her dem Wesen der Natur entspricht, in die Erscheinung tritt. Ich würde den Begriff der Erscheinung unbedingt mithineinnehmen: Erscheinung ist etwas sehr Universelles, aber dann doch in der Formulierung sehr reduziert. Dieser Reduktionsprozeß ist der erste Schritt zu etwas Gestalthaftem.

W.F.: Von diesem Schlüsselwort Reduktion ausgehend wird ja auch verständlich, daß Sie sich in Ihrem bisherigen Werk auf ganz bestimmte Themen konzentrierten: auf den Menschen, den Kopf des Menschen, die Landschaft, die Architektur, also Bereiche, die entweder Natur sind oder mit Ihr in Verbindung stehen.

Josef Pillhofer, Römische Stimmung (Braunsberg), 1980

Josef Pillhofer, Römische Stimmung (Braunsberg), 1980

J.P.: Mir ist oft vorgeworfen worden, daß ich Landschaften zeichne, wo ich mich als Bildhauer doch nur mit dem Plastischen, im Sinne der modernen Kunst dem essentiell Plastischen, auseinanderzusetzen hätte. Ich habe das nie so gesehen. Für mich war die Landschaft etwas, was mich seit meiner frühesten Jugend sehr bewegt hat. Die Skulptur hat andererseits für mich eher einen abstrakteren Charakter gehabt. Von anschaulichen Qualitäten, die mir dabei in einem Objekt entgegentraten, faszinierte mich von Anfang an das Plastische. Ob das jetzt die Figur, ein Kopf oder meine Eltern als Modell waren. Wenn man leidenschaftlich bestimmt wird durch das, was einem entgegentritt an Wirklichkeit, kommt man in  den eigentlich positiv zu sehenden Widerspruch zwischen Natur und der Notwendigkeit zur Gestalt.

W.F.: Es ist von Ihnen in Bezug auf die Skulptur der Begriff des Abstrakten gefallen. Wenn man Ihr Werk betrachtet, fällt ja auf, daß Sie sich eine lange Zeit unmittelbar auch in der Form mit Abstraktionen beschäftigt haben: Das heißt, die Figur – und es bleibt immer die Figur – wird aus einzelnen Formelementen zusammengesetzt. Auch hinter diesen Abstraktionen aber, glaube ich, steht in erster Linie die Anschauung, das Erkennen eines Objektes, einer Form, einer Gestalt der Natur. Ein Wechsel fand in den letzten Jahren statt: Sie gehen von abstrakteren zu – würde ich sagen – realistischen Figuren. Läßt sich dieser scheinbare Widerspruch nicht auch als Kontinuität in der Entwicklung sehen?

Josef Pillhofer, Atelier, 1981

Josef Pillhofer, Atelier, 1981

J.P.: Den Begriff der Entwicklung würde ich überhaupt ausschließen. Ich weiß nicht, ob man überhaupt von Entwicklung sprechen kann in der Kunst, auch in einem Lebenswerk. Es ist doch eher so, daß man von verschiedenen Gesichtspunkten aus dasselbe angeht. Daß ich jetzt ausschließlich – man kann es ruhig so nennen – realistisch arbeite, hat folgenden Grund: Es hat sich erwiesen – und das ist wahrscheinlich auch ein historischer Faktor – daß, wenn man sich auf abstraktere Begriffe reduziert, sich diese sehr rasch verselbständigen und Gebilde entstehen, die im Grunde in Ihrer Verselbständigung auch natürlich eine Verminderung an dem, was man unter Realität versteht, erfahren und immer dürftiger werden. Das ist auch in den besten Beispielen der modernen Plastik festzustellen. Sie reduzieren sich auf immer konzentriertere Gebilde, die dann tatsächlich gegenstandslos im Sinne des Wortes werden. Das heißt, es gibt ja in der bildenden Kunst eigentlich nichts Gegenstandsloses. Es ist immer ein Bezug zu etwas sinnlich Wahrnehmbaren oder Tastbarem gegeben, das heißt entweder zu etwas Kristallinem oder Vegetativem. Das Abstrakte ist im Grunde nur ein Gedanke. Insofern ist der Begriff des Abstrakten in der bildenden Kunst sehr fragwürdig.

Josef Pillhofer, Römisches Mädchen, Deatil, 1980/81

Josef Pillhofer, Römisches Mädchen, Detail, 1980/81

W.F.: Ich würde aber nun doch meinen, daß der Begriff der Entwicklung hier von Bedeutung ist. Nach der doch sehr langen Beschäftigung mit konzentrierteren und reduzierteren Darstellungen kommen Sie an einen Punkt, an dem Sie der Meinung sind, daß die Problematik, die Sie darstellen wollen, nicht mehr in der Ihnen, oder besser, Ihren Vorstellungen adäquaten Art und Weise dargestellt werden kann. Sie wenden sich im Verlauf Ihrer persönlichen Entwicklung nun einer realistischen menschlichen Figur zu und ordnen ihr den abstrakten Gebilden verwandte Strukturen zu. (Das heißt, Sie beschreiten nicht den Weg der Naturimitation im Sinne eines Realitätsschockes, wie er etwa als Folge von Abgußverfahren zustande kommt). Es gibt in Ihrem Werk zweifellos eine Kontinuität bestimmter Formqualitäten: etwa die tektonische oder räumliche Bewältigung des Raumes von der plastischen Seite, aber auch von einer neuen Strukturierung her, da sieht man bei Ihren Architekturmodellen oder bei Ihrem Entwurf für die Gestaltung des Wiener Stephansplatzes. Ob das jetzt an einer geschichteten oder >>gebauten<< Plastik auftritt oder an einer realistischeren Figur, die ja auch in  Ihrem früheren Werk ihren Platz hat, scheint ja nur eine Frage verschiedener Erscheinungsformen zu sein. Denn auch in der Landschaftszeichnung kristallisieren sich ganz bestimmte Bauelemente heraus, beobachtete Strukturen werden mit Hilfe der Linie verfestigt. Hier reichen also die Formqualitäten von einer Kunstgattung in die andere hinein. Und genauso wie in der zeichnerischen Darstellung eines Stückes Natur fehlt in der menschlichen Figur jedweder Ausformung so etwas wie Stimmung oder psychische Gestimmtheit. Es geht also um Bauen, Stehen, Sitzen, Liegen, sich Bewegen, Tanzen und nicht um den individuellen Habitus eines Wesens.

Josef Pillhofer, Paris 1950 (2), 1950

Josef Pillhofer, Paris 1950 (2), 1950

J.P.: Ich glaube, da muß man sehr aufpassen, daß man nicht zu einem Mißverständnis kommt. Es unterscheidet sich nämlich die moderne Möglichkeit des Gestaltens von der traditionellen, daß nicht von vornherein ein Thema oder eine Stimmung angenommen wird, sondern daß diese durch den Gestaltungsprozeß eintritt. Für mich gehören Räumlichkeit und Tektonik zu allgemeinen Gestaltungsprinzipien, in denen sich letztlich die Qualität ausdrückt. In einem doppelten Vorgang, wenn man ein Modell vor sich hat und nach allgemeinen Gestaltungsprinzipien sucht, zum Beispiel eine Stehende modellieren will, stellt sich oft, da es ja nicht möglich ist, direkt und unmittelbar an die Realität heranzukommen, ein Thema und auch eine Stimmung ein.

W.F.: Durch die Beschäftigung mit der Realität tritt also für Sie diese Stimmung ein und nicht durch ein vorgefaßtes Herangehen an dieses Thema. Ist das richtig?

J.P.: Ja, das ist eigentlich vollkommen richtig. Es ist oft schwer, einen Titel für eine Skulptur zu finden. Ich habe eine Skulptur mit dem Namen Erzengel, ohne mir vorgenommen zu haben, daß ich eine Skulptur mache, die letzten Endes ein Erzengel wird.  Aber plötzlich sehe ich in der Figur, daß sich etwas >>abhebt<<; ich sehe etwas Engelhaftes, etwas Erzenes. Der Titel oder die Benennung ist dem Charakter der Form impliziert.

Josef Pillhofer, Entwurf für Ehrengräber, Detail, 1972

Josef Pillhofer, Entwurf für Ehrengräber, Detail, 1972

W.F.: Ihr geistiger Ansatzpunkt ist eine möglichst scharfe Annäherung an die Realität, ist eine Realität, in der Erfahrungswerte persönlicher und künstlerischer Natur eingebracht werden, aber es ist keine Realität, die sich mit literarischen Inhalten verbrämt. Ihre künstlerische Hintergrundinformation wurzelt in der Kenntnis wesentlicher Gestaltungsmethoden des 20. Jahrhunderts, und doch wurden Sie von einigen Erlebnissen ganz besonders stark geprägt. Zunächst war es die Künstler- und Lehrerpersönlichkeit Fritz Wotruba, und dann waren es bedeutende Vertreter der französischen Moderne in Paris. Dazu kam das Erlebnis des allgemeinen künstlerischen Aufbruchs im Wien der Nachkriegszeit, der Sie mit erfaßte. Wie hat dies Ihr künstlerisches Werk beeinflußt?

Josef Pillhofer, Katalogumschlag, 1981

Josef Pillhofer, Katalogumschlag, 1981

J.P.: Durch meine enge Bindung an die Natur wurde ich eigentlich davon abgehalten, mich frühzeitig allzusehr an bestimmten künstlerischen Manieren oder speziellen Techniken zu orientieren. Diese Auseinandersetzung mit der Natur bestimmte mein Schaffen letztlich auch noch in der ersten Zeit bei Wotruba, dessen Schüler ich war, wie jeden Bildhauer, der nach dem Krieg studieren wollte. Wotruba forderte mich auf, endlich einmal gestalterische Probleme in Angriff zu nehmen. Dann kam ich nach Paris, konnte zu Brancusi, Zadkine und Henri Laurens. Daneben war das Atelier >>L’art abstrait – non figurative<<, in ihm arbeiteten Dewasne und Vasarely; Picasso und Matisse hatten damals ihre lebendigste Phase. In dieser unerhört dichten künstlerischen Atmosphäre hatte ich das Glück , zu arbeiten. Diese Künstler besaßen einen unerhört starken Bezug zur Natur und zur Realität, und von da her empfanden sie auch die Notwendigkeit zur Form am stärksten. Daraus resultieren, wie man weiß, die Rückgriffe auf die Primitiven, auf die Negerkunst. Die ganzen manifesten Begriffe dessen, was man damals unter moderner Kunst verstanden hat, waren für mich von so großem Einfluß, da sie durchaus keine Diskrepanz zu einer Auseinandersetzung mit der Realität darstellten. Das war für mich bis heute herauf die anregendste Zeit. Und von dort her ist wahrscheinlich auch vieles zu verstehen, was an weiteren Ergebnissen meiner Arbeit resultierte.

Der Kontakt zu den Künstlerkollegen in Österreich war in den fünfziger Jahren äußerst anregend, durch den Krieg hatte sich viel an ungenutzter künstlerischer Potenz aufgestaut. Mit vielen bin ich natürlich auch heute noch befreundet, obwohl wir uns künstlerisch weit auseinandergelebt haben.

Gespräch Abgedruckt In: Josef Pillhofer, Das gestalthafte in der NAtur. Mälzerei und Garten des Freiberger-Hauses. AUSTELLUNGSKATALOG, Walter Buchebener Gesellschaft, Mürzzuschlag 1981. o.S.
ABBILDUNGEN: WAlter Buchebner Gesellschaft
FOTOS: Helmut, BAAr, Felix Weber, Eckart Schuster, Hortensia und Peter Fussy, Heimo Kuchling, Walter Angerer, N. Rainer, Johann Berger, Otto Breicha
Katalogredaktion und -gestaltung: Werner Fenz
Katalogumschlag: Siebdruck G. HAckensöllner
PUBLIKATION