Gottfried Bechtold, Foto-Kontakte

Foto-Kontakte

28,15,0,50,1
600,600,0,0,5000,1000,25,2000
90,300,0,50,12,25,50,1,70,12,1,50,1,0,1,5000
Katalogumschlag, Graz 1993
Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Grundriss, Graz 1993
Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1993
Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen
1993 - 1994
Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Detail, Graz 1993
Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen
Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1993
Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen
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Gottfried Bechtold präsentiert:
Eine Ausstellung südfranzösischer Profifotografen zum Thema „Sommer, Sonne, Meer“. Mehr als 10.000 Bilder in der Größe von Kleinbild-Kontaktstreifen verschaffen einen Einblick in die kommerzielle Fotografie Frankreichs am Beispiel des Porträts und der Gruppenaufnahme.

Gottfried Bechtold präsentiert:
Drei wichtige Ausstellungsräume in der Steiermark, in Vorarlberg und in Südtirol. Am jeweiligen Ort wird auf die beiden anderen Orte verwiesen; die Kunsträume werden in einem Katalog in ihrem jeweils charakteristischen Äußeren (Inneren) publiziert.

Gottfried Bechtold präsentiert:
Die virtuelle Verknüpfung dieser Städte mit Hilfe eines Liniengefüges, das topographische Achsen in ihren Richtungsansätzen sowie die Krümmung der Erdoberfläche durch das Abweichen vom parallelen, exemplarisch veranschaulichten Luftliniensystem sichtbar macht.

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Grundriss, Graz 1993

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Grundriss, Graz 1993

Gottfried Bechtold präsentiert eine großflächig erweiterte Raum-Zeit-Skulptur, die aus dem Galerieraum heraustritt und sich im Kopfraum einnistet. Die „Dreiecksgeschichte“, in Graz, Bregenz und Bozen inszeniert, setzt die klassische Dualität von Form und Inhalt außer Kraft. Mag es der prozessuale Aspekt des Konzeptes, die systemerweiternde künstlerische Anordnung oder das wie zufällig ausgewählte Bildmaterial sein – in jedem Fall ist es zumindest ein weiterer Bereich, der die Dimension des sichtbaren Ausstellungsproduktes vergrößert, verdichtet und damit dessen Gestalt entscheidend verändert, seine Wahrnehmungsdisposition aufbricht. Das geographische Dreieck baute sich auf, bestand für knapp mehr als eine Woche in seiner kompletten gedanklich vorstellbaren realen Form und brach sukzessive in seine einzelnen Eckpunkte mit den offenen, nach außen gerichteten Winkeln auseinander. Die räumliche Verknüpfung erfolgte mittels einer photographischen Wirklichkeit eines vierten Ortes: jenes französischen Küstenstreifen, aus dessen Fotoateliers die Strandaufnahmen stammen. Im Zusammenführen verschiedenster Erdoberflächenpunkte auf der Ebene künstlerischer Darstellbarkeit – schematisch, visuell, konzeptuell – drückt sich in einer ersten Lesart Zufälligkeit, in einer zweiten, nach dem Knüpfen der Verbindungsraster, die nicht mehr mögliche Austauschbarkeit aus. Diese zugleich metaphorische und systemgebundene Geographie vermag auf die Grundstruktur eines künstlerischen Handelns zu verweisen, das nicht den Schauraum für Produkte aufsucht, sondern Raum für die Veranschaulichung geistig-sinnlicher Positionierungen benötigt.

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1993

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1993

Die in der Zeit entwickelte Raum-Skulptur Gottfried Bechtolds orientiert sich weniger an den traditionellen formalen Grenzen des Innen und Außen als vielmehr am Bezeichnen eines realen Grenzverlaufs mit dem Aufdecken und  dem Umwerten  für trivial gehaltene Implikationen. Der Verlauf einer 24 Millimeter dicken Fotolinie markiert in Augenhöhe die jeweils benützten Kunsträume über alle Oberflächen hinweg: Wände, Fenster, Türen. Sie erscheint auf den Materialien Putz, Glas, Holz, folgt den planen Flächen, den verschiedensten Profilen, den Raumvertiefungen, schmiegt sich unter den notwendigsten Möblierungen an ihren jeweiligen Träger. Vom Eckpunkt des Grazer, Bregenzer oder Bozener Dreiecks aus durchschneidet die mit spezifischen Informationen vollgepackte Fotolinie in zwei Schenkelrichtungen den Raum, um realiter die konstruierte (und genau vermessene) topographische geometrische Form aufzubauen. Raumteilung innerhalb eines geographischen Rasters (Himmelsrichtung) und Flächenteilung innerhalb eines proportional Menschlichen (Augenhöhe) treffen als konstruktive Gestaltungsmuster eines vorgefassten Konzeptes aufeinander. Der erweiterte Skulptur- und Raumbegriff in Bechtolds Arbeit schließt an sein bisheriges Oeuvre an. Dieses zeichnet sich in den unterschiedlichen Werkgruppen durch das Einblenden verschiedenster Wirklichkeitsebenen und den Austausch von diversen Informationsqualitäten aus. In der Reichweite der aufgebauten Darstellungsmuster über ein konkretes Objekt und über ein tradiertes oder festgelegtes Präsentationssystem hinaus ist die Bedeutung dieser künstlerischen Methode begründet. So zeigt sich auch in der hier dokumentierten Arbeit, dass die künstlerische Anordnung auf eine zwingende Erweiterung ästhetischer Kapazitäten angelegt ist.

Bechtold zählt seit vielen Jahren zu jenen Persönlichkeiten in Österreich, die das Fassungsvermögen des Nachrichtenaustausches einzuschätzen und auszubauen in der Lage sind. In erster Linie wohl auch deshalb, weil er den Anspruch an das künstlerische Handeln in hohem Maße mit dem ständigem Zuwachs an Erfahrungen und Erlebnisebenen zu verknüpfen weiß. Unter diesen Bedingungen ist er an Kunst interessiert. Er instrumentalisiert sie als Orientierungsmöglichkeit mit der Prämisse, daß unser Blick auf die Welt – und ein solcher scheint ihm mit der Kunst untrennbar verbunden zu sein -. Sinnvoller Weise nicht mehr auf das Ganze, sondern nur mehr auf intensiv zu erforschende und exemplarisch vorzuführende Teilbereiche gerichtet werden kann. Diese Haltung bestimmt auch die Schritt für Schritt auflösbare Komplexität der „Dreiecksgeschichte“.

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, 1993 - 1994

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, 1993 – 1994

Der flächige und in den Raum abzweigende, richtungsweisende Markierungsstreifen der Installation schlüsselt sich in seine Bedeutung auf, wenn wir berücksichtigen, dass er zwar Flächen- und Raumteiler ist, aber nicht als affirmatives, sondern als Informationselement. Die Kleinbild-„Kontakte“ repräsentieren einen Wirklichkeitsausschnitt, wie er an den konkreten Orten, wie er aber auch an den vergleichbaren Orten, als standardisierter, typologisch ausgerichteter Realitätsmoment erscheint: Strandurlaub. Paradigmatisch wird er hier in der Zehntelsekunde der mechanischen Bilderzeugung gleichzeitig von der Erinnerung überlappt. Eine „Grenzsituation“ – mehrheitlich Auslöser für fotographisches Handeln – aber nicht nur in dieser Hinsicht: auch für das Verhältnis von Anonymität und Individualität, für den Übergang der Elemente Erde, Wasser und Luft mit dem markanten horizontalen Schnitt von Strand und Horizont. Die 24 Millimeter dicke Linie verdeckt die Wände der Kunsträume, reißt sie aber, das Dahinter des festen Grundes illusionistisch negierend, auf und fügt als Parameter ihrer eigenen Gestalt die Horizontalität des endlich-endlosen Naturraumes ein. Tausende individuelle Körper bevölkern als Motiv die Kunstausstellung – aus der Anonymität kommerzieller Fotoarchive befreit und von Anfang an, vor allem auch aufgrund der Fülle, wieder in diese Anonymität zurückgestoßen.

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Detail, Graz 1993

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Detail, Graz 1993

Auch tatsächlich anonym, da viele dieser „Belegstück“ nie vergrößert und nie aus den Fotogeschäften abgeholt wurden. Doch das Faktum ihrer Anwesenheit, dieser sonnenhungrigen halbnackten Körper, bleibt bestehen. So haben diese Bilder nicht nur, sondern überhaupt nicht, den Weg in verstaubte Alben gefunden, sie sind in Kunsträumen gelandet: als Markierungslinie eines Ausschnittes fotografischer Realität, als Standardmuster selbstdarstellerischer Posen. Das Bildkompendium einer Urlaubssaison wird zum Instrument, mit dem Raum und Zeit, Kunst-Raum und Kunst-Zeit im jeweiligen Längen- und Breitengrad des Darstellungsortes, austauschbar und doch spezifisch, fokussiert werden. Gottfried Bechtold weist im Gegensatz zu anderen künstlerischen Positionen, wie etwa der von Heimo Zobernig, Gerwald Rockenschaub, Christian Philipp Müller .u.a. dem Kunst-Raum nicht in erster Linie „innerbetriebliche“ Qualitäten zu. Er bezieht den Präsentationsort, vor allem in dieser Arbeit als wesentlichen Faktor des Diskurses mit ein, ohne ihn zum (andere Wirklichkeiten) ausschließenden Zentrum zuzuspitzen. Der Fremdästhetik – ein Kristallisationspunkt im bisherigen Oeuvre Bechtolds – dockt an die je unterschiedliche, in ihrer Gestalt aber letztlich immer deutlich identifizierbare Kunstästhetik an. Aus diesen Transfers entstehen neue Konstellationen, die ein erweitertes Feld der Fragestellungen inkludieren. Diese zielen auf einen vielschichtigen gesellschaftlichen Raum, der als Resonanzraum immer wieder eingeblendet wird. Bechtold arbeitet diszipliniert an seinen künstlerischen Strategien, er fixiert sich nicht auf Material, Form und  Inhalt. Was er im Auge behält, ist die Diversion des Umfelds. Darauf reagiert er mit gedanklichen und materiellen Anordnungen. Ihre Konstellation wird von der Formulierung der Fragen bestimmt.

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1993

Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz 1993

„Graz-Bregenz-Bozen“ – kein Projekt mit überflüssigen Fragen nach der Identität dreier Orte. Wohl aber der Versuch, mit dem sorgfältig und sinnfällig ausgewählten Instrumentarium des Strandbild-Rapports exemplarisch unterschiedliche Raumqualitäten zu bezeichnen. Die Multiplikation als „Qualitätsverstärker“ für die Öffnung determinierte Präsentationsort, für die Herstellung eines quasi Low-Standard-Netzwerks ohne aufwendige High-Technology. Erst über die Projektion  des vierten Ortes, des Küstenstreifens, von Toulon bis Lavandou, also der Ferne auf die Nähe der anderen, wird ein neutrales Instrumentarium für die gleichlautenden Untersuchungsfelder entwickelt; neutralisiert durch die Standardisierung und die Aufhebung der Individualität, der Bechtold durch das Be-Zeichnen der Räume mit dem Fotostreifen andererseits nachspürte. Aus diesem Blickwinkel scheinen erst aus dem Paradoxon die „normalen“ Verhältnisse sichtbar zu werden. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen dem Foto und der Kunsthalle. Oder doch?

Manuskript zu: WERNER FENZ,  Foto-Kontakte, in: Gottfried Bechtold, Graz Bregenz Bozen. Ausstellungskatalog,  Neue GAlerie  am Landesmuseum Joanneum Graz,  Magazin 4 – Vorarlberger Kunstverein Bregenz, Galerie Museum / Galleria Museo Bozen /  Bolzano 1994  o. S .
ABBILDUNGEN: Gesellschaft der Freunde der Neuen Galerie Graz,  Vorarlberger Kunstverein, Galeria Museum / Museo Bozen / Bolzana
FOTOS: Hubert Matt
KATALOGUMSCHLAG: Gottfried Bechtold
PUBLIKATION