Markus Wilfling, Ehrenspiegel, Kaindorf an der Sulm 2008
Als Leiter des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark gratuliere ich der Gemeinde Kaindorf, dass sie das „Projekt Ehrenspiegel – Ein Denkmal im öffentlichen Raum“ verwirklicht.
Innerhalb der übrigen künstlerischen Aktivitäten, die Kaindorf setzt, nimmt der Ehrenspiegel eine besondere Stellung ein: Es handelt sich um ein Kunstwerk, das in seiner Qualität auf der Höhe der Zeit steht und seinen Wirkungsradius nicht nur im Ort selbst, sondern auch im Kontext der österreichischen Gegenwartskunst besitzt. Auch in der Biografie von Markus Wilfling, dem Schöpfer des „Uhrturmschattens“ in Graz, wird dieses Objekt auf Dauer einen besonderen Stellenwert einnehmen und immer in Verbindung mit einer kulturell aufgeschlossenen Gemeinde stehen. Es ist weniger der Mut eines ernst zu nehmenden Künstlers, zu dessen Aufgabe die Weiterentwicklung der bildkünstlerischen Sprache zählt, will er in der internationalen Kunstwelt einen festen Platz einnehmen, es ist der Mut der Gemeindevertreter von Kaindorf, der in diesem Zusammenhang respektvoll zu erwähnen ist. Der Mut, nicht am ausgedienten traditionellen Denkmal festzuhalten, sondern sich neuen Interpretationen des Erinnerns nicht zu verschließen.
Im Fokus auf ein zentrales, immer brisanter werdendes Thema lotet der Künstler das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft in einer ebenso lustvollen und visuell ergiebigen Weise aus, wie er sich unterschiedlichen Ebenen der Reflexion über das Phänomen des Spiegelbilds, in der Kultur- und in der Kunstgeschichte, widmet. In Verbindung mit dem zitierten Ausschnitt aus dem Buch „Die Verbindung des Ich mit dem Unbewussten“ von C. G. Jung nehmen die PassantInnen über ihr Abbild im Spiegel unmittelbar am Kunstwerk teil, was der Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Zeichen in der Öffentlichkeit erfahrungsgemäß äußerst förderlich ist.
Mit der Wahl des Aufstellungsorts wurde eine weitere kluge und sensible Entscheidung getroffen: In der Wiese, im Hintergrund von den beiden Birken gerahmt, wird eine gewohnte Erfahrung im Betrachten von eher persönlichen, nicht auf monumentale,staatstragende Wirkung abzielenden Denkmälern raffiniert konterkariert, weil sich sowohl die äußere Form als auch der Inhalt von den aus der älteren und jüngeren Vergangenheit bekannten Beispielen radikal unterscheidet: Nicht die menschliche Figur, nicht die Büste sind das Thema, sondern ein vergrößerter Handspiegel, weil nicht der Eine oder die Andere die Heroen sind, sondern eine aufgeklärte, den menschlichen Idealen und Gerechtigkeiten verpflichtete Gemeinschaft. Die einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft sind in dem Moment, in dem sie vor dem Denkmal innehalten, jene, denen das Denkmal gewidmet ist.
Ich wünsche den GemeindevertreterInnen und den BewohnerInnen von Kaindorf an der Sulm viele interessante Erfahrungen mit dem Kunstwerk. Auch eine seriöse Kritik, von einer aufrichtigen Auseinandersetzung getragen, soll niemand entmutigen, ist doch die Kunst heute eines der wenigen „Instrumente“, mit dem demokratiepolitische (Ein)Übungen trainiert werden können.