Land(e)scape
Künstlerhaus Graz am Landesmuseum Joanneum 2007
Graz und die Steiermark haben in den späten 1960er und in den 1970er Jahren die Internationalität der Kunst vorwiegend im Austausch mit den Partnern der Dreiländerbiennale trigon, also Italien und (Ex)Jugoslawien, gelebt.
Auch wenn sich der Blick nach außen lange Zeit vor dem Druck der Globalisierungsmechanismen aus Interesse an der wie selbstverständlich erweiterten Kommunikation auf einen wesentlich ferneren und komplexeren Horizont geöffnet hat, nimmt ein ernsthafter Diskurs mit dem Nachbarn Slowenien einen hohen Stellenwert ein. Eine Reihe von steirischen Initiativen und Veranstaltern auf unterschiedlichen Kultur- und Kunstebenen pflegt den kontinuierlichen Kontakt, sodass ein recht dichtes Bild von Aktivitäten, von den Ideen und Konzepten jenseits der offenen südlichen Grenzen wahrgenommen werden kann. Die Einladung an die beiden Kunsthistorikerinnen Breda Koar Slugar, mittlerweile Direktorin der Umetnosta galerija Maribor, und deren Kollegin Simona Vidmar, eine Ausstellung junger slowenischer Kunst im Grazer Künstlerhaus zu kuratieren, festigt den Kontakt nun auch auf der Museumsebene.
Allerdings ist es keine Geste oft inhaltlich leerer kulturpolitischer Repräsentationen. Entscheidend ist das Interesse an den Methoden der in Slowenien tätigen Produzentinnen und Produzenten, die Gegenwart der Welt in die Kunst zu integrieren. Diesem Interesse trägt die getroffene Auswahl explizit Rechnung. In den Positionen der sieben KünstlerInnen, für die Peripherie und Zentrum keine einmal unverrückbar festgelegten Klassifizierungen sind, spiegeln sich einerseits ein frischer und eigensinniger Zugang und andererseits eine sichtbar große, durch internationale Auftritte gestärkte Erfahrung bei der bild- und raumhaften Umsetzung der Konzepte wider.
Für das Künstlerhaus ist es nach langer Zeit die erste Begegnung mit slowenischer Kunst in dieser ausgeprägten Form. Im nächsten Jahr setzt eine Auswahl zeitgenössischer italienischer Kunst diesen neu entwickelten Programmpunkt, sich ein konzentriertes Bild von künstlerischen Positionen in einem der Nachbarländer zu machen, fort. Der Umetnostna galerija Maribor als Institution, im Besonderen jedoch den beiden Kuratorinnen und den teilnehmenden Künstlerinnen gilt mein Dank für die spannende Kooperation.
Werner Fenz (Hrsg.), in: LAND(E)SCAPE, Publikation anlässich der Ausstellung im Künstlerhaus Graz am Landesmuseum Joanneum, 26. Juli – 2. September 2007
Publikation
Land(e)scape, Zeitgenössische Kunst aus Slowenien
Räumliche Überlegungen sind dem Menschen angeboren. Er verglich seine Empfindungen immer mit der Umgebung, die er in das Feld des künstlerischen Ausdrucks übertrug.
Durch Betrachtung der Kunst erkennen wir, wie sich die Raumwahrnehmung veränderte. Es gab große Epochen der Veränderungen, wie z. B. die Renaissance mit dem perspektivischen Netz oder die Gegenwart mit hochtechnologischen multimedialen Projekten, aber auch außerordentliche Einzelpersonen, wie Giotto oder László Moholy-Nagy, die im Ausdruck ihrer Empfindungen ihrer Zeit voraus waren. Auch die slowenische zeitgenössische Kunst macht sich eingehende Gedanken zur Frage des Raumes. Die Künstler selbst definieren ihn sehr unterschiedlich; einige der scharfsinnigsten Kunstschaffenden, wie Marjetica Potrč und Marko Peljhan, könnten als Spezialisten bezeichnet werden, die Fragen der räumlichen Relationen problematisieren.
Die Ausstellung Land(e)scape möchte die Frage der zeitgenössischen Landschaften in den Mittelpunkt stellen. Heute sind sehr viele unterschiedliche Perspektiven möglich, und schon die sieben auserwählten Projekte zeigen anschaulich genug, wie abwechslungsreich ein Lebensraum sein kann und in welcher Hinsicht man die Raumdimension der Gegenwart verstehen kann.
Vor uns stehen verschiedene Bilder: Auf persönlichen Gegenständen in Glasgefäßen wuchern Mikroorganismen; die große Nachbildung einer Holzkulisse erscheint als fancy Wohnzimmer; ein Häuschen in Funktion einer Schaufenstervitrine, in dem sich sonderbare Gestalten ansammeln; eine Internetseite, mit deren Hilfe man Abfälle aussuchen kann; ein Filmheld, der Geschichten über verschiedene Lebensdilemmata der Gegenwart schildert; eine Rauminstallation mit Computerzeichnungen, in der einfache Technologien als Hauptakteure auftreten; eine dunkle Fantasiewelt voller eigenartiger Lebewesen, wo ein Affe Gitarre spielt.
Die vorliegenden Landschaften stellen keine romantischen Blicke in die Natur und auch keine für das 20. Jahrhundert üblichen sozialgefärbten verwüsteten Stadtbilder dar. Man könnte sie als Umwelten verstehen, die Komplexität exponieren und eine Reihe von Praxen, Feldern und Organisationsmodellen miteinbeziehen. Natürlich problematisieren einige Kunstwerke das konkrete Handeln des Menschen, einige dessen Beziehung zur Umwelt, andere die urbane und sozialpolitische Sphäre, wiederum andere erwerben durch ihre Einfachheit einen universell symbolischen Charakter. Dabei ist es wichtig, dass die Kunstwerke sich dessen ‚bewusst‘ werden, dass in der Gegenwart die Umwelt durch Beziehungen Bedeutung erlangt, dass die Umwelt durch Relationen konstituiert wird. In gewisser Hinsicht deuten alle, sowohl philosophische als auch kunstautonome Fragen oder Fragen des ökologischen Überlebens, darauf hin, dass die Realität unseres Raumes nur durch komplexe Einordnung möglich ist.
Werner Fenz und Evelyn Kraus: Land(e)escape. Zeitgenösssiche Kunst aus Slowenien , Pressetext, Graz 2007
ABBILDUNGEN: LANDESMUSEUM JOANNEUM
Fotos: NiColas Lackner, Polona Tratnik, Miha Fras
Publikation