Horáková & Maurer

Horáková & Maurer

28,15,0,50,1
600,600,0,0,5000,1000,25,2000
90,300,0,50,12,25,50,1,70,12,1,50,1,0,1,5000
1988
Horáková & Maurer, 24 CLOTHES PEGS
Graz, Neue Galerie 1988
Horáková & Maurer, Leichtes Gleiten und Rollen
1988
Horáková & Maurer, 2RUN
1988
Horáková & Maurer, 2RUN
1988
Horáková & Maurer, 24 CLOTHES PEGS
1988
Horáková & Maurer, Ein heißer Tag an einem der heißesten Orte der Welt
1989
Horáková & Maurer, CAPITAL
1989
Horáková & Maurer, FÜHRERS REHLEIN
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Künstlerpaare

Das im österreichischen Fürstenfeld lebende Künstlerpaar Tamara Horáková und Ewald Maurer (geb. 1947 in Havlíčkův Brod/ČSSR bzw. in Fürstenfeld/Steiermark) hat 1984 begonnen, zusammen Gemeinschaftsarbeiten zu realisieren. Vorher schufen die beiden Künstler, seit ihrer ersten Begegnung 1968 in Wien, eigene Werkgruppen.

Horáková & Maurer, Leichtes Gleiten und Rollen, Graz, Neue Galerie 1988

Horáková & Maurer, Leichtes Gleiten und Rollen, Graz, Neue Galerie 1988

Die jüngsten Ensembles von Tamara Horáková & Ewald Maurer markieren ein intellektuell gefärbtes sensualistisches „Gleiten und Rollen“ (Bildtitel) im starken Sog Bild gewordener historisch-politischer und gesellschaftlich-kultureller Realität. Vor allem seit der Zusammenarbeit, die den berufsbedingt aufgesplitteten Alltag des Künstlerpaares vollkommen durchdringt und den beeinflußbaren Lebensrhythmus in jeder Minute bestimmt („Wir sprechen sofort nach dem Aufstehen bis zum Schlafengehen immer von neuem unsere Arbeiten durch“), richtete sich der Blick in rigoroser Weise auf das Phänomen der De-Konstruktion und des Transfers geschauter und aufgespürter Bildwelten. Grundsätzlich bleibt keine Richtung nach außen, auch nicht jene in scheinbar ausgereizte Trivialästhetik, ausgespart. Die aus der kategorischen Öffnung des Geistes sorgsam aufgebaute Offenheit des Blicks filtert aus dem bloßliegenden Angebot alltäglicher Bildchiffren ebenso wie aus dem historischen Katalog oft vordergründiger Zeugenschaft den Symbolwert des Allgemeinen aus dem Besonderen aus.

Die stupende Variabilität der Erscheinungsformen in den Werkgruppen von Horáková & Maurer – seit Jahren stellen die beiden kein Werk ein zweites Mal aus – gründet auf dem immer wieder neu verknüpften Netz der Assoziationsketten, die in unterschiedlichen Gliederlängen und -stärken aufgereiht werden. Sie fußt aber auch auf der zwar nicht wissenschaft­lich-systematisch, sondern vielmehr intuitiv-künstlerisch vielschichtig genutzten und kalkulierten Symbolqualität. Da diese nicht dem Fundus individueller Mythologien entspringt, sondern in ständiger Referenz zur tatsächlichen und potentiellen Bild- und Nutzungsqualität steht, werden bildliche Sprachmuster von höchster Anzüglichkeit realisiert. Die ausgefeilte und bedeutungsvolle Materialsprache entzieht sich dem Materialfetischismus postmoderner Bastelstuben dadurch, daß in umgekehrter Richtung hier das Zitat die Botschaft (oder wenigstens einer ihrer Teile) ist. Ebenso fremd aber ist Horáková & Maurer die Rolle der Operators in den Neuen Medien. Das heißt, genauer ausgedrückt, sie verweigern den Einstieg ins System, um sich ausschließlich seine Funktions- und Bildstrukturen zunutze bzw. zum Problemfeld zu machen: aus Überzeugung, letztlich nichts anderes als das fünfte (künstlerische) Rad am Wagen des High-Tech-Betriebes zu sein, ohne Chance, die Richtung tatsächlich beeinflussen zu können.

Horáková & Maurer, 2RUN, 1988

Horáková & Maurer, 2RUN, 1988

Das heißt nicht, daß die visuelle Bearbeitungsqualität des Computers nie Teil eines der Ensembles gewesen wäre (z.B. „2 RUN“). Zeitungsausschnitte mit Inseraten, Dokumentationsfotos oder Seiten mit einem pro­ grammatischen Artikel über die „neue Freiheit“ der Kunst in der ČSSR wurden digitalisiert – aus Sprach­ und Bildklischees steuerte der Computer mehr oder weniger zufällige Muster an, die Nachricht war teilweise durch die künstlerische Zubereitungsform vollkommen gelöscht. In dieser Zubereitungsform, die auch die „Dekoration“ der riesigen mit Fotoemulsion überzogenen Leinwände mit Mustern von der Malerwalze einschloß, überlappen einander zusätzlich Standards mit medien- und kunstkritischer Signifikanz. Die Keilrahmen waren beidseitig bespannt („Der eigentliche Beginn unserer Zusammenarbeit, als wir entdeckten, daß man ein Bild vorn und hinten bearbeiten kann“, formulieren die beiden eher kokett immer dann, wenn das Gespräch auf die Anteile jedes einzelnen kommt), die mit Leuchtfarbe aufgetragenen Maler-Muster überdeckten teilweise die im Verlauf der Entwicklung von Werkgruppen mehr oder weniger verfremdeten Bildinformationen oder/und schmückten die Rückseite.

Horáková & Maurer, 2RUN, 1988

Horáková & Maurer, 2RUN, 1988

Die Besonderheit, vielleicht auch tückische Qualität, dieses Ansatzes lag darin, daß er nicht mit analytischer Askese und messianischem Eifer vorgetragen wurde, sondern lustvoll opulente Ergebnisse präsentierte, deren aus dem Detail zu erschließender Verweischarakter durchaus auch auf die Typologie der immer wieder reflektierten Zeitkunst abzielte. Die geistig-künstlerische Sensibilität und die akribische formale Disziplin gegenüber fremden (immer als Material interessanten) und eigenen Produktgestaltungen in einem klar definierten sozio-kulturellen Umfeld des Bildtransfers und der Bildrezeption bestimmten die eigenwillige Sprachform von Horáková & Maurer.

Trotz des Focus auf mediale Strukturen und deren Ausfilterung haben die beiden nicht den konzeptuellen Raster, sondern immer das Kunststück mit einem sicheren und bei aller intellektueller Auseinandersetzung intuitiven Augenmaß im Blickfeld. Diese Kunststücke sind strukturell und ikonografisch an jenen Schnittpunkten von Allegorie, Emblem und Symbol angesiedelt, die in einer auszugsweisen Anthologie erst kürzlich zur Diskussion gestellt wurden (KUNSTFORUM 102, 1989). Denn tatsächlich geht es auch im vorliegenden Werk um die Überprüfung der Wirkung und Stringenz einer mimetischen Semantik, die sich sowohl aus dem Realitätstransfer als auch aus der Verrückung und Aufladung von Materialsprachen rekrutiert, wird der „Agonie des Realen“ (Baudrillard) die Vitalität funktionierender Bildinformationen entgegengesetzt. Freilich mit dem Wissen, daß künstlerisches Handeln der Funktionalität der Alltagskommunikation erst einmal Paroli bieten muß.

Horáková & Maurer, 24 CLOTHES PEGS, 1988

Horáková & Maurer, 24 CLOTHES PEGS, 1988

Von hier aus können die semantischen Stränge auf unterschiedlich korrelierenden Ebenen weiterverfolgt und weiterentwickelt werden. So funktioniert der Bezug zu einem historischen und gesellschaftlichen Raum-Zeit-Gefüge über Realitätsfragmente, die keineswegs durch die Isolierung aus ihrem ursprünglichen Bedeutungszusammenhang als vielmehr durch das Einführen ihrer semasiologischen Gestalt als Ausgangspunkte für neue Denkraster präzisiert werden. Im Wechselspiel von Bild und Material erschließen sich Interpretationsmuster, die in allegorischen Kanälen verlaufen. Sinn und Zweck dieser Methode ist nicht das Erzeugen eines leichtfertigen Neo-Realismus, der aus trivialen Versatzstücken die Monumentalität eines künstlerischen Konglomerats aufbaut, das sich in seiner Metastruktur selbst genügt.

Im Gegensatz dazu richtet sich das vorliegende methodische Anliegen auf die Ausdifferenzierung der ins Bild gesetzten Einzelinformation, die auf weiteren inhaltlichen und formalen Strängen verfolgt wird. Das Ensemble als geschlossene, aber vielteilige künstlerische Figur weist als ein aus sorgfältig kombinierten Realitätsmustern zusammengesetztes Gebilde wieder nach außen. Es bezieht sich aus einer neuen ästhetisch konstituierten Erlebnisqualität heraus auf den Kontext der Erfahrungen, aus dem es gewonnen wurde. Diesem geistigen Wechselspiel entspricht das künstlerische der Formen und Materialien.

Horáková & Maurer, Ein heißer Tag an einem der heißesten Orte der Welt, 1988

Horáková & Maurer, Ein heißer Tag an einem der heißesten Orte der Welt, 1988

Bei der Installation „Ein heißer Tag an einem der heißesten Orte der Welt“ (München 1988) war die Verpackung von sowjetrussischen Wäscheklammern aus dem Vertriebssystem westlicher Warenhäuser das auslösende Fundstück. Die künstlerische Realisation mündete einerseits in ein bearbeitetes digitalisiertes Bild auf Großfläche, andererseits in die Materialüberhöhung rotierender Stahlblechkonstruktionen. In den Inszenierungen „Leichtes Gleiten und Rollen“ (Graz 1988), „CAPITAL“ (München 1990) und „Führers Rehlein“ (Graz 1989/90) treten an die Stelle einer aufgrund ökonomischer Strategien globalen Warenästhetik historisch-politische Vernetzungen mit dem dezidierten Anspruch gegenwärtiger Rezeption. Im „Gleiten und Rollen“ entspricht dem Realitätstransfer der künstlerische Raumtransfer. Die Gymnastikbälle des „Kraft durch Freude“-Fotos tauchen als Objekte des Hier und Jetzt auf den Präsentiertellern der Gegenwart auf.

Horáková & Maurer, CAPITAL, 1989

Horáková & Maurer, CAPITAL, 1989

Im „CAPITAL“ verschmelzen Bild- und Materialkonnotationen zu einem emblematischen Ensemble. Die sorgsam formatierten Rehlederstücke bilden den „Sockel“ für die mittels Fotoemulsion auf Leinwand übertragenen Bogenschützen der dreißiger Jahre; Gummirechtecke überlagern den Bildausschnitt und leiten durch ihre materielle Substanz zur zwölfteiligen Siebdruckserie auf Gummifeldern, deren Bildmotiv je zwei immer wieder reproduzierte Degengriffe bilden, über. Das große Bild, dessen Figuren, ins Negativ übertragen, die Assoziation zu antiken Schützen herstellen, ist mit einem schweren Eichenrahmen versehen. In den Degengriffen der Siebdrucke in einer zweiten Lesart (vielleicht sogar und besonders in der ersten) Rehkrickel zu sehen, entspricht der hier mehrfach eingearbeiteten Verweisfunktion von Bild- und Materialzeichen.

Horáková & Maurer, FÜHRERS REHLEIN, 1989

Horáková & Maurer, FÜHRERS REHLEIN, 1989

„Führers Rehlein“ – das ist der im Bildträger mehrfach farbig variierte Unschuldsblick des Rotwildes: kreiert von einem Sonntagszeichner des Jahres 1941. Horákovás & Maurers Methodik zielt darauf ab, aus einer Welt der Bilder die Macht der Bilder auszufiltern.Jede Sozietät verfügt über ihren ganz klar definierten Fundus und die spezifischen Bedingungen des Gebrauchs. Sie vor dem jeweiligen Hintergrund geistiger und ästhetischer Strukturlinien zu projizieren, sie zum Zweck der Orientierung verfügbar zu machen und im Aufladen ihre Substanz freizulegen, ist – so muß man aus diesen Arbeitsergebnissen folgern – Anliegen jedes Künstlers, der mit den Aufgaben der Kunst auch die der eigenen und kollektiven Standortsuche verbindet.

Manuskript zu: WERNER FENZ, Horáková + Maurer., KÜNSTLER-PAARE U.A.M. IN: KUNSTFORUM INTERNATIONAL, BD. 106, März/April 1990, S.  172 – 175.
Abbildungen: Kunstforum International, Neue GAlerie Graz, steirischer herbst
Fotos: Horáková & Maurer
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