Von der dunklen Höhle zur hellen Kammer

Von der dunklen Höhle zur hellen Kammer

28,15,0,50,1
600,600,0,0,5000,1000,25,2000
90,300,0,50,12,25,50,1,70,12,1,50,1,0,1,5000
ArgusAuge, München Königsplatz 1991
Tamara Horáková & Ewald Maurer, Elfenbeinküste
trigon 73, Audiovisuelle Botschaften, Graz 1973
Richard Kriesche, Kapellenstraße 41
Kulturzentrum bei den Minoriten, Die Schöpfer Gottes, Graz 1983
Peter G. Hoffmann, "Ein Teil derer für alle"
Bezugspunkte 38/88, Graz 1988
Braco Dimitrijević, The casual passer-by I met
Sowjet-Pavillon. Internationale Presse-Ausstellung Köln, 1928
El Lissitzky, Pressa
ArgusAuge, München 1991
Hans Haacke, Die Fahne hoch
ArgusAuge, München 1991
Dennis Adams, Ehrentempel
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Über die im öffentlichen Raum veröffentlichte Fotografie

Fotografie im öffentlichen Raum – um das Thema des öffentlichen Bildes enger zu fassen – passiert ohne unser Zutun als Vermittler, Künstler oder Autoren. Der öffentliche Raum der Fotografie – das ist nicht nur der Raum ohne Dach und Wand, nicht nur das real Städtische oder das Grünareal. Wir sind umgeben von der sprichwörtlichen Bilderflut und stehen dennoch nur gelegentlich veröffentlichten Bildern gegenüber, denen unser ungeteiltes Interesse gilt, deren Codes uns über das Aha-Erlebnis hinaus in Beschlag nehmen, deren Formulierung uns mit einer neuen Bilderwelt konfrontiert. Unsere Sinne werden tatsächlich weder vom Tafelwasser noch von reizvoller Wäsche übermäßig belebt. Das heißt natürlich, genauer gesagt, von den Werbebildern der Produkte. Platon hätte nicht ganz zu Unrecht die Autoren dieser Bildinszenierungen nicht in seinen Idealstaat aufgenommen. Die angepriesenen Produkte wären ihm nützlicher, weil der Idee der Labung und der Bekleidung entsprechend gewesen. Doch in Wahrheit haben die Autoren auftragsgemäß nicht die Flasche und das Dessous widergespiegelt, sondern eine Story gezimmert, eine unmissverständliche Körpersprache als Transportvehikel für ihre Botschaften benutzt, das ausgebreitete Klischee von knisternder Erotik multipliziert. Auch Platon hätte diese linearen Bildtransfers durchschaut – er, der in seiner Höhle ein etwas schattenlastiges Urbild der Camera obscura projizierte – nur hätte er nicht umhingekonnt, sich für die wichtigere unter den Ideen zu entscheiden: für das Erfrischungsgetränk oder die ausgelassene Partygesellschaft, für die schützende Kleidung oder das Model.

Bilder sind, selbst dort, wo sie der normativen Werbestrategie unterliegen, mehrschichtig. Und sie sind zielgerichtet; wollen betrachtet und rezipiert werden. Sie stellen eine kumpelhafte Nähe oder eine fein dosierte Distanz zum Betrachter her. Bilder sage ich, Foto-­Bilder meine ich. Denn Gemälde-Bilder gelten von vornherein als entfernter, als entrückter. Sie sind abstrakter, auch in ihrer realistischesten Variante. Ihr Öffentlichkeitstransfer ist ein sorgsam, das bedeutet nicht gleichzeitig immer sorgfältig, eingeleiteter. Keine Angst, ich lasse mich in diesem Zusammenhang nicht näher darauf ein, Kunst und Fotografie in alten Schemata gegeneinander aufzurechnen oder gar Kunstfotografie und Autorenfotografie zu klassifizieren, geht es doch letztendlich um das ganzheitliche Phänomen von Bildinformationen, die uns in einer mehr als nur segmentierten Weise in unseren Tagen beschäftigen.

Auch wenn ich in der Folge das Thema unter dem Raster der Kunst vermesse, möchte ich den Aspekt der Veröffentlichung, den ich als paradigmatisch für das gestellte Thema erachte, auf die gesamte fotografische Produktionspalette ausdehnen: Kein Bild ist a priori öffentlich. Der Bildgebrauch (und darin inkludiert die Veröffentlichung eines Fotos) verleiht den Lichtbildern ihre enge oder weite öffentliche Reichweite. Implizit ist, sollte man meinen, im Bildgebrauch immer die Definition des Wirkungsraumes angelegt. Dient das Foto als Beleg des letzten Urlaubsziels – so wird es zum Schrecken der Eingeladenen in viel zu langen Dia-Abenden „veröffentlicht“; dient es als Bebilderung tagespolitischer Informationen – so kann es zum Exempel von Macht und Ohnmacht, aber auch zum Beispiel ständig sich vermindernder Reizschwellen gegenüber optischen Nachrichten werden, da tausendfach geliefert und ebenso oft konsumiert; dient es als sorgfältig gestaltete visuelle Materialisation eines subjektiven, über die ästhetische Ebene abgehandelten Weltverständnisses – so ist die Öffentlichkeit eine aus dem Galeriepublikum oder den Lesern von Fotozeitschriften rekrutierte.

Mengenfaktor und Zielgruppe, mimetische Kondition, subjektiver und objektiver Kontext, Kontemplation und Schaulust sind die wesentlichsten Koordinaten, innerhalb derer Fotografien veröffentlicht werden. Im Verein mit der „Aufmachung“ sind es die entscheidenden Kriterien, die den Öffentlichkeitscharakter der Bilder ausmachen. Fallweise, in immer geringerem Ausmaß freilich, verleiht das offizielle Bild des Staatsrepräsentanten den Räumen von Institutionen ihren öffentlichen Charakter. Typus, Wiederholung und Platzierung würden auch den im Umgang mit Bildstrukturen Ungeübtesten, selbst ohne ausführliche Hintergrundstory, nicht lange – und zwar über die besondere Form des Bildergebrauches – im Unklaren über die Zusammenhänge und die Bedeutung lassen.

Konzeptives künstlerisches Handeln hat diese Wirkungsstrategien – und eben diese und nicht die unverwechselbare Autorschaft – benützt, um ein Verfahrens- und damit ein Denkpotential sichtbar zu machen und in Gang zu setzen. Dasselbe Handeln hat den Vorgang der Veröffentlichung als interkommunikative Struktur begriffen und in den künstlerischen Sprachraum eingebunden, um ihr (überhaupt) einen Ort zu verschaffen und ein Wirkungsmodell auszubilden. Für diese Haltung zeige ich ein sehr frühes Beispiel von Richard Kriesche, „Kapellenstraße 41“, das im Rahmen von „Trigon“ im Jahre 1973 realisiert wurde. Für jenes eine geraffte Typologie: Peter Gerwin Hoffmann, „Ein Teil derer für alle“: „Erst wenn die Idee (das Unaussprechbare) Form wird, wird sie Teil unserer Realität“ (Graz 1983 – Die Schöpfer Gottes); Andy Warhol, „Thirteen Most Wanted Men“ (New York 1964); Braco Dimitrijevic, „The casual passer-by I met“ (Graz 1988, Bezugspunkte 38/88, steirischer herbst – über einen langen Zeitraum seit den frühen siebziger Jahren an den verschiedensten Orten konzipiert).

Während die Qualität von Hoffmanns Arbeit in der lückenlosen optischen Auflistung der repräsentativen Repräsentanten-Bilder liegt, sind die im fotomechanischen Verfahren hergestellten Bilder von Warhol und Dimitrijevic an die Veröffentlichung an definierten Orten gebunden. Im konsequentesten Fall von Dimitrijevic definiert in umgekehrter Weise der Ort das Abbild; er verleiht ihm eine Bedeutung, die es für sich und in einer anderen Größendimension – also in den gängigen Abzugsformaten etwa – nicht besitzt. Neben der Lokalisation ist in diesem Fall auch das Ausmaß für den Bildgehalt ausschlaggebend. Ein rascher Vergleich mit den Porträts von Thomas Ruff zeigt uns auf der anderen Seite mehr als deutlich, daß die Größe verschiedenartige, über die traditionelle Präsentationsform hinausgehende Kontexte schafft. Kann hier erst im Herangehen ans Detail und im auratischen Hintergrund- und Präsentationsmodus sich die Eigenart der fotografischen Sicht entfalten, ist bei Dimitrijevic das Erzeugen einer strategischen Wirkungsaura der entscheidende Faktor.

Ich habe in einem Fall von der Größe gesprochen und von der Verlängerung des Bildmediums in jenen öffentlichen Raum hinein, der sich als traditionelles reales Ambiente, als alltäglicher Durchgangs- und Erlebnisraum definiert. Nicht habe ich in diesem Zusammenhang diesen visuellen öffentlichen Raum apostrophiert, der aus mechanischen und elektronischen Bilderzeugungsquellen gespeist wird und den virtuellen und tatsächlichen Welt-Raum auf dem Feld des Nachrichtenaustausches repräsentiert. In diesem ist das Bild anderen Qualitätskriterien und Vermittlungsstrategien unterworfen als in jenem. Auch wenn sich die Bilderwelten der Welt-Bilder hier wie dort an den Rändern überschneiden, müssen doch wohl in den präzisesten und adäquatesten Fällen unterschiedliche Maßstäblichkeiten angelegt werden.

Daß es sich bei der Größe und der Verlängerung des Bildmediums in den begehbaren urbanen Raum hinein um einen Kausalzusammenhang und keine unscharfe oder saloppe Betrachtungsweise handelt, zeigt uns die länger als manchmal bewußt zurückreichende Geschichte der Großbildfotografie. Sie ist immer mit dem öffentlichen, wenngleich nicht automatisch mit dem freien Stadtraum, verbunden. Schon 1867 trat die Firma Krupp auf der Londoner Weltausstellung mit einem 10 Meter langen Foto, im Direktkontakt von 55 x 65 cm Platten gewonnen, auf und setzte neue Maßstäbe für die Industriewerbung. Panoramen, letztendlich ebenfalls Werbeträger, steigerten die Ausmaße in immer neue Dimensionen, bis das wahrscheinlich bekannteste Übersichtsbild, der Golf von Neapel, nahtlos hergestellt, 12 Meter Länge erreichte (1903 von der „Neuen Photographischen Gesellschaft“ in Berlin angefertigt). Verknüpfte sich in diesen Beispielen das technische Bravourstück mit einer inhaltlich weniger bedeutenden Dimension, setzte El Lissitzky auf seinem legendären Foto-Fries für die „Pressa“, die Internationale Presseausstellung in Köln 1928, in einem Demonstrationsraum für öffentliche Medienverarbeitung eine formal-inhaltliche Strategie ein, die als Vorstufe für die Handhabung der Fotografie in öffentlichen Räumen angesehen werden kann. Sein Verzicht auf einen einheitlich perspektivischen Raum, seine rhythmischen Bildkonstruktionen und die ins formale Konzept eingebauten Überlagerungen einzelner Fotos signalisierten nicht nur exemplarisch den Inhalt, sondern auch die Funktionsweise der Presseinformationen, sollten ganz im Geist der Zeit die Resonanz der Presse-Wirkung in der Masse, die organisierende Leistung der Presse wie der Masse als Aktivator der Presse zeigen. Mit anderen Worten: Lissitzky rang dem eingesetzten Medium nicht eine akribische Dokumentationsform ab, sondern aktivierte es in Inhalt und Gestalt. Seine Erfahrungen auf dem Feld der ästhetischen Einsetzbarkeit (und einige Zeit wohl auch der direkten gesellschaftspolitischen Nutzanwendung) von Kunst ließen ihn zur Schlußfolgerung gelangen, daß sich ihre Form und ihre Struktur zumal dann den Bedingungen des Ortes (und des Anlasses) anzupassen haben, wenn sie in den Wirkungsbereich der Öffentlichkeit – sei es in ästhetischer wie in funktioneller Hinsicht – eintreten.

Ich bin mir der Gefahr und der Angriffsflächen, letztendlich also bewußter und unbewußter Mißverständnisse, die von solchen Feststellungen ausgehen können, gerade als Ausstellungsmacher und Kunstvermittler durchaus bewußt. Fassonierung und Reglementierung von Kunstproduktionen, Forcierung und Ausbildung von Propagandakunst, welche sich im Falle Lissitzkys durchaus und mit gutem Grund nachweisen läßt, stehen als zensorisches Menetekel an der Wand. Dabei geht es in unserem Zusammenhang um nicht mehr, aber auch um nicht weniger, als Wirkungsstrategien zu erkennen und zu analysieren. Denn Wirkung sollte die Kunst/die Fotografie in jedem Raum, also auch in jedem öffentlichen Raum, zeigen. Damit sind wir bei einem entscheidenden Punkt angelangt: nämlich dem der Definition des Ortes der Veröffentlichung von Bildwerken. Jeder von uns, Künstler wie Theoretiker, Galerist wie Publikum weiß um die Macht der Inszenierung, um die Gesetze der guten Gestalt der Präsentierung Bescheid. Wir sprechen von ruhigen Wänden, von der Hauptwand, von den angeblich so wichtigen Einflüssen zu niedriger oder zu hoher Decken, wir richten die Scheinwerferkegel in die exakt richtigen Positionen, kämpfen um gute Beleuchtung, die einen um Tageslicht, die anderen um Kunstlicht: kurz und gut, die Guckkastenbühne soll höchsten Standard repräsentieren, um den Bildern entsprechende Folie sein zu können.

Also so elegant, aber so neutral wie möglich, denn wir haben die Aufgelassene-Fabrikhallen-Ästhetik satt. Der Ort ist also neutral und a priori der Kunst gewidmet (ist er es nicht, wird er temporär oder für „immer“ kontextuell markiert und mit den entsprechenden Requisiten versehen). In einem solchen Ambiente setzt sich die Bildidee an sich durch (oder sie scheitert). Für den Wirkungsradius des Kunststücks spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob Konnotationen zur „Außenwelt“ hergestellt werden oder nicht, da der Radius den Umfang des Kunstkreises erreicht, aber nicht überschneidet. Die Neutralität des Ortes und seine eindeutige Definition lassen das geistig-formale Potential und dessen Rezeption ausschließlich unter den Prämissen künstlerischer Invention und deren Überzeugungskraft zur Wirkung kommen, auch dann, wenn es sich um De-Konstruktionen aus der Alltagswelt, um das Aufheben der Wirklichkeit im Bild, oder was immer, handelt. Das schließt natürlich nicht aus, daß Galeriekunst, um die Schere so weit wie möglich zu öffnen, gesellschaftsrelevant sein kann, wie auch Kunst im Außenraum nicht gesellschaftsrelevant sein muß. Die Inhalte stehen jederzeit frei zur Disposition. Die „Aufmachung“ des Kunstwerks muß sich, um sinnfällig innerhalb der je spezifisch gehandhabten Wirkungsstrategien zu werden, dem Veröffentlichungsort anpassen.

Vereinfacht ausgedrückt: Was innerhalb der vier Wände funktioniert, kann außen „in die Hosen“ gehen. Denn da können die Fotografie, die wetterfeste Malerei, die Skulptur, das Objekt ganz schon im Bilderregen der urbanen Signale, der print- oder elektronikmedialen Zeichen stehen. Da relativieren sich Atelier- und Galeriequalitäten, da geht es in meinem Verständnis ohne sorgfältige strategische Überlegungen nicht den Stadtmöbeln oder den in Vielzahl und Vielfalt installierten Bildträgern für die Logos der Wirtschaft und des Staates an den Kragen, sondern der Kunst. Künstlerische Aktionen im öffentlichen Raum, der als solcher intuitiv oder analytisch definiert wurde, weisen eine disparate Rezeptionsstruktur auf. Steuern sie (die Bildwerke) auf der einen Seite das ästhetisch­geistige Potential dieses Ortes als ein nicht beliebiges an, indem sie versuchen, auf einer adäquaten Ebene wirksam zu werden, erfüllen sie einen Anspruch, der aus dem künstlerischen Kontext heraus gestellt werden muß. Auf der Seite des daran vorbeikommenden, also nicht zielgerichtet wie ein Kunstliebhaber auf das Objekt zusteuernden Konsumenten – um auch von Anfang an die veränderten Rezeptionsebenen mit einzubinden – erzeugt das Kunstprodukt meist Ratlosigkeit. Der Gestaltungsakt/der Eingriff kann an einem gewissermaßen „unpassenden“ Ort, der nicht als Kunstreservat ausgewiesen ist, nicht angenommen werden, da die oftmals erst zu diesem Zeitpunkt der Veränderung als vertraut erlebte Atmosphäre aus dem Gleichgewicht gerät. Wird ein künstlerisches Gebilde, eine Skulptur, ein Objekt ausgestellt – die Veröffentlichung von Foto-Kunstwerken unterliegt meiner Meinung nach weiter erschwerten Konditionen – z.B. im städtischen Park, in den Freizeitzonen etwa oder auf einem Sockel an markanter, zu Repräsentationszwecken geeigneter Stelle, so wird das Artefakt zwar mehr oder weniger emotionslos hingenommen, obwohl oder gerade weil es sich vom Sprachvokabular des Handlungsraumes als Solitär aus einem zwar durchschnittlich wesensfremden, aber durch ein gewisses Maß an Bildungserfahrung und Medienpräsenz – die Publikation von Veröffentlichungen – legitimierten Bereich absetzt.

Je deutlicher die Kongruenz und die damit in ihr angelegte ästhetische und konzeptuelle Brechung zum Erlebnisraum der Alltagsrealität – einer vergangenen, wiederauflebenden oder gegenwärtig intervenierenden – ist, desto mehr Konfliktstoffe sind in das künstlerische Werk verpackt. Denn hier regt die Optik zu Referenzen an, zur Überprüfung und damit eigentlich bewußten Erfahrung der Erlebnismuster, denen sich der Betrachter Tag für Tag ausgesetzt sieht. Dieses Ausgesetztsein wird ihm durch die so beschriebenen Eingriffe und Inszenierungen (unter)bewußt; das zweckgerichtete Firmenlogo, die bildliche Konsum- und Weltaufbereitung kann er vom scheinbar zweckfreien Kunstobjekt, das intensiv genug ist, um ihn als Störfaktor zu beunruhigen, nicht mehr so klar unterscheiden wie die abstrakte Plastik von den Reklameschildern und den anderen Wegweisern durchs tägliche Leben.

Wenn sich die Zeichensetzung innerhalb des städtischen Ambientes auf einen besonderen Ort konzentriert, werden Gestalt und inhaltliche Bedeutung solcher Zeichen, wollen sie wirksam werden – ich greife die vorhin genannte Wirkungsstrategie auf – ortsspezifisch reagieren müssen. Eines der wichtigsten Charakteristika von Kunst im öffentlichen Raum kann durch die Nicht-Austauschbarkeit der Objekte/der Bildfindungen beschrieben werden. Sie sind an den Kontext gebunden und re-agieren auf ihn (das empfinde ich im Gegensatz zu anderen nicht als Einschränkung, sondem als neue Herausforderung künstlerischer Gestaltungsmuster, zumal die Argumentationsebenen zumindest so vielfältig wie die einzelnen Teile des nahezu unbegrenzten Konglomerates Stadtraum sind). Die Allgemeingütigkeit des Kunstwerkes an sich wird in diesem Zusammenhang nicht nur in Frage gestellt, sondern schlicht und einfach aufgehoben. Das Kunstwerk bezieht nicht aus sich heraus (gemeint ist aus den freien Gedankenassoziationen seines Herstellers) seine Position zur Welt. Es legitimiert sich als Fragestellung zu einem vorher festgelegten, ganz bestimmten Thema. Das Schöpferische an sich (?) tritt in einer bewußten In-Beziehung-Setzung zurück. In Wirklichkeit verhält es sich, vereinfacht ausgedrückt, so, daß der Raster, in dessen Koordinationspunkten jedes Artefakt entsteht, „veröffentlicht“ wird; zumindest jene Teile von ihm, die die Oberflächenstruktur und damit die kohärent-anzüglichen Erkennungssignale betreffen. Die solcherart eingeführte Dialogebene läßt einen Austausch von Signalen zu, wobei sich das kommunikative Kanalsystem erweitert: Die Frequenz ist nicht nur auf Online zwischen Künstler-Sender und Konsument-­Empfänger eingestellt, sie bezieht in einer Ringschaltung den spezifischen Ort als zusätzlichen Sender mit ein.

Ist erst dieser spezifische Ort, ein bestimmtes, abgegrenztes städtisches Ambiente etwa, heute überhaupt noch ein Ort von kommunikativer Relevanz, an dem es sich lohnt, Bilder zu veröffentlichen? Hinken die mühsam und von manchen beharrlich – auch gegen viele Widerstände – in Gang gesetzten Versuche eines erweiterten Bildaustausches nicht schon wieder den von den Medien geschaffenen neuen Öffentlichkeitsräumen hinterher? Tummeln sich die Organisatoren von Kunstausstellungen, die nach Vilém Flusser eigentlich politisch Engagierten, da sie den Prozeß der Veröffentlichung, den er als „politisches Engagement“ – im Unterschied dazu die „Kunst“ als Informationsprozessierung – klassifiziert, in Gang setzen, nicht auf den falschen Plätzen? Denn, um bei Flusser zu bleiben, „Wer zuhause bleibt, hat Zutritt zu allen kulturellen (und politischen – W.F.) lnformationen, und wer das Haus verläßt, läuft Gefahr, Informationen zu versäumen“.

Die jüngst vergangenen und gegenwärtigen politischen Ereignisse, die Ausradierung jahrzehntelanger Geschichte(n) haben uns in einem nicht mehr vorstellbaren Ausmaß eines Besseren belehrt: Der Fall der Berliner Mauer war kein Medienereignis, er fand an Ort und Stelle statt – veröffentlicht, multipliziert und festgehalten durch die Kameras der Informationsgesellschaften. Von diesem Standpunkt aus tritt das globale McLuhan’sche Dorf in den Gegensatz zu einer immer noch funktionstüchtigen generellen Praxis sowie zu regionalen und ortsspezifischen Informationsmustern; in den Gegensatz aber auch zu den traditionellen und noch lange nicht ausgereizten erkenntnisfähigen Mustern der Kunstübung und zu deren unglaublich vielseitigem, aus Invention, Verarbeitung und Brechung zusammengesetztem Bildpotential. Ganz zu schweigen von der aus den Zentralen diktierten medialen Praxis, die Kunst im besten Fall als reproduziertes Ereignis (in meist ungeeigneter Präsentationsform) in die höchstens 67 Diagonalzentimeter große Informationszentrale an die Endverbraucher, in sparsamst dosierten Haushaltsmengen , abgibt (medial produzierende Kunst steht auf dem täglichen Informationsmenüplan ohnedies nicht).

Diese Prämissen weiterverfolgend, muß sich Kunst nach wie vor auch den traditionellen Öffentlichkeitsraum suchen, um optisch, wenn sie dies anstrebt, nicht nur mit einem Ausschnitt aus der Publizität vernetzt zu sein. Eine argumentative Feinabstimmung hatte die dringend gebotene, zumindest temporär oder periodisch wiederkehrende Komplettierung des zivilisatorisch-kulturellen Gesamtbildes mit zu berücksichtigen, ebenso den Überraschungseffekt – ich scheue mich, nicht dieses Wort zu verwenden – und die berechtigte Spekulation, physische Präsenzen der Passanten jenseits der eingefahrenen Informationsgeleise auszunützen, um bildhaft einen geistigen Dialog in Gang zu setzen.

Kunst im öffentlichen Raum wird, auch wenn, wie Walter Grasskamp betont, trotz punktuell genauer Untersuchungen von einer kohärenten und genau umrissenen Theorie des öffentlichen Raumes als Sonderfall der Öffentlichkeit noch nicht die Rede sein kann, heute vorwiegend über die Skulptur zum Thema von Publikationen. Auch wenn der Anteil fotografischer Bilder im Rahmen solcher Veranstaltungen schon bisher nicht unerheblich gewesen ist (denken Sie etwa an Beispiele von den „Bezugspunkten“ und Dennis Adams in Münster), fand eine ausschließliche Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie in einer erweiterten Dimension – also mit einem der wichtigsten Bild- und Informationsträger zur Herstellung von Öffentlichkeit – noch nie in derart konzentrierter Form statt wie im Projekt „ArgusAuge“ am Münchner Königsplatz (September/Oktober 1991).

Einige Beispiele von den insgesamt sechs Installationen und Zeichensetzungen sollen meine Thesen vom besonderen, die Wirkungsstrategien berücksichtigenden Habitus der Kunstproduktionen im öffentlichen Raum aus aktuellem Anlaß belegen; sie sollen zeigen, daß mit dem Eintritt in diesen Raum die Notwendigkeit verbunden ist, Sprachformen zu entwickeln, die auch außerhalb des gewohnten Kunstraumes dialogfähig sind.

Sechs Künstler/Künstlerinnen/Künstlerpaare aus Europa und den USA waren eingeladen, einen der in seiner Einheit wahrscheinlich markantesten Platze der Welt als „Ausstellungsraum“ zu nützen . Der Königsplatz ist vor allem durch zwei unterschiedliche, aber möglicherweise doch wieder nicht so weit voneinander entfernte Geschichtsebenen geprägt: durch die des Klassizismus, dem er seine Entstehung (unter Ludwig I.) verdankt, und die des Nationalsozialismus, der ihn benützte, veränderte und erweiterte. Dem er ein kongenialer Fest- und Aufmarschraum war. Mit der Rückführung in seine annähernd ursprüngliche Gestalt vor knapp drei Jahren (Tilgung des „Plattensees“ und Wiederbegrünung) wurden die Diskussionen um Verdecken und Entdecken von Geschichte in kleinen Kreisen virulent. „ISARprojekt 1991: Fotografie“, ein Pilotprojekt für den Start einer Münchner Kunstbiennale, war der Anlaß, den Königsplatz der Sicht zeitgenössischer (Foto)Künstler zu unterstellen.

Mit der Auswahl der Künstler habe ich den Zugang zum Thema bewußt heterogen gehalten, die formalen wie inhaltlichen Ebenen aufgesplittet. Neben einem kurzen Überblick (Dennis Adams – Ehrentempel; Silvie & Cherif Defraoui – Übergang ; Hans Haacke – Die Fahne hoch; Tamara Horáková & Ewald Maurer – Elfenbeinküste; Marie-Jo Lafontaine – Wir haben die Kunst …; Esther Parada – Heimat Bayern) möchte ich drei Positionen weiter, stenogrammartig, kommentieren:

1. Hans Haacke nahm, wie übrigens in Graz auch („Bezugspunkte 38/88“), ein mehrfach veröffentlichtes Standardfoto, das uns hier am Beispiel der Propyläen als immer wieder zitierter Beleg für die Ästhetik und Inszenierungskunst der Nazis dient, zum Ausgangspunkt seiner „Wiederherstellung“. In diesem Arbeitsansatz, der auf wochenlangen Recherchen zur Bestimmung des aussagekräftigsten und die spezifischen ästhetischen Komponenten verdeutlichenden historischen Bildbelegs fußte, ist die Fotografie der Auslösefaktor, um erstens die Einheit von Ort und Zeit zur Deckung zu bringen und zweitens, darüber hinausgehend, die Mechanismen gesellschaftlich­politischer Verklammerungen in der Jetztzeit abzufragen. Durch die in einigen Punkten veränderte Rekonstruktion werden die ästhetischen Determinanten aus der eingefrorenen Bildwelt des Fotos verlebendigt und in der ehemaligen Maßstabtreue in die für uns Gegenwärtige erst eigentlich nachvollziehbare optische Dimension hinein verlebendigt. In einer durch eingehende Beschäftigung erzielten genauen Beobachtung enttarnte sich der dekorative Fries des klassizistischen Bauherrn als ebenso intensive wie gegenüber den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts verschlüsseltere politische Demonstration des Machtanspruches und des Kampfes – hier im Zeichen des Kreuzes. Der griechische Traum war ein erbitterter Kampf gegen den türkischen Glaubenswidersacher, in Wirklichkeit politischen Konkurrenten mit dem Anspruch auf Kolonisation. Haacke verlängerte diese Mechanismen in die Gegenwart hinein, um an die immer wiederkehrenden politisch-wirtschaftlichen Verquickungen zu gemahnen. Haacke betrachtet übrigens – im Gegensatz zu Roland Barthes – Fotos nicht für sich allein. Er will ihr ästhetisches und inhaltliches Destillat in die maßstäbliche Größe der Wirklichkeit zurück verwandeln, weil es aus ihr heraus zum historisierenden Blick verkürzt wurde. Hier – könnte man resümieren – wird nicht das Foto selbst, sondern eine fotografisch dokumentierte Wirklichkeit zeitversetzt und zeitbezogen veröffentlicht. Die Ästhetik von Dokumentationen wird greifbar.

2. Das Foto in seiner klassisch-mimetischen Ausformung bei Dennis Adams. Ein Blow-up aus vier Teilen, Scanachrome auf selbstklebender Folie, daher wetterbeständig. In den Gebüschen/Biotopen zwei identische Bildmotive. Die Verdoppelung und die dadurch entstehende Symmetrieachse schaffen Bedeutung. Der Bildträger – eine roh gezimmerte Plakatwand – ist urban geläufig, das Bild, nicht nur des fehlenden Textes wegen, fremd. Ein z.B. von Wohnbaugenossenschaften eingesetztes und daher vertrautes Signal-Vehikel enttäuscht die x-fach angeeignete Erwartungshaltung. Die markierte Stelle könnte vom Umfeld her betrachtet neues Bauland sein, doch die Projektadäquanz fehlt. Die lineare Conclusio bleibt uneingelöst. Innerhalb eines bestimmten gewohnten Rasters städtischer Bildveröffentlichungsstrukturen erregt die Fremdheit des Bildes verstärkte Aufmerksamkeit. Sein Sinn und sein Ort/seine Orte müssen zur Informationsentschlüsselung hinterfragt werden. Der Grundhabitus der Installation ist zu vertraut, die Positionierung zu markant, um übersehen zu werden. Indem sich Adams auf alltägliche Gestaltungen von Bildträgern einläßt, kann er bildlich nahtlos in die Übermittlungssysteme eingreifen und einen effektiven Bildaustausch vornehmen. Eine eingehendere Positionsbestimmung führt uns zu Fundamentresten, die unter dem Grün für die meisten getarnt waren: Plattformen, in strenger Achsialität auf den dahinterliegenden, durch eine Querstraße getrennten Königsplatz ausgerichtet und gleichermaßen auf die beiden monumentalen Gebäude links und rechts davon bezogen, auf die Musikhochschule und die Staatlichen Graphischen Sammlungen. Sie, die Unzerstörbaren, sind in ihrer Funktion total umgewidmet, waren sie doch einst der Führerbau und das NSDAP-­Verwaltungsgebäude. Auf den erwähnten Fundamenten standen die sogenannten Ehrentempel, in denen die „Blutzeugen“, die Martyrer des mißglückten Hitler-Putsches von 1923, ihre pompöse letzte Ruhestätte gefunden hatten. Sie fielen als einzige NS-„Belegstücke“ auf diesem Areal unmittelbar nach Kriegsende der Entnazifizierung zum Opfer.

Adams, den das Verhältnis von Architektur und Fotografie spätestens seit den „Bus-Shelters“ immer wieder als Arbeitsansatz begleitet (siehe auch „Siege“ in Derry, Nordirland 1990), veröffentlicht in diesem historischen Fadenkreuz ein sorgfältig und nach allen Regeln der Kunst erstelltes Atelierfoto: Der Schminktisch einer Broadway-Schauspielerin wurde extra angefertigt, das Modell unter pensionierten Schauspielerinnen ausgesucht und „angemietet“. In der Veröffentlichung verwandelt sich ein potentielles Architekturmotiv, das nach Plänen exakt vermessen wurde, in ein inszeniertes Porträt einer alten Frau. Die direkten Bezugspunkte und damit die historische Verklammerung wurden über formale Entsprechungen hergestellt: Die Fototafeln sind genau an den ehemaligen Eingängen der Ehrentempel angebracht, ihre Größendimension entspricht der Architekturordnung – 4 Meter 70 hoch und 4 Meter breit; die Glühlampenreihen entsprechen den Pfeilerordnungen und zeigen so optische Reminiszenzen. Inhaltlich greift die Figur in ihrer Strenge und Isoliertheit in dem neu hergestellten Zusammenhang das Motiv der Zeugenschaft auf. Die Ferne, in die die Rückenfigur à la Caspar David Friedrich blickt, erweist sich durch das räumliche Koordinatensystem und durch das Alter der Figur als genau festgelegtes Zeitprofil des Königsplatzes. Über die „Blindheit“ des Spiegels wird die Raum-Zeit-Dimension des Hier und Jetzt zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Vergangenheit projiziert. Das bunte Licht des Garderobenplatzes künstlerischer Akteure kontrastiert mit dem nackten, ausgemergelten Körper, verfremdet das funktionsbestimmte aktuelle Rollenspiel und -verhalten in den Kulissen des Theaters zu einem vergangenen, in den ästhetisch-ideologischen Versatzstücken der Polit- und Alltagswelt der Dreißigerjahre angesiedelten. Der Part der Figur bleibt letztlich unbestimmt: überlebendes Opfer, Mittäterin oder Zeitzeugin? Bei aller Ambivalenz aber führt Adams durch die Möglichkeiten unterschiedlicher Klassifizierungen die Tatsache verifizierbarer historischer wie gegenwärtiger Kategorien im Bereich gesellschaftspolitischer Handlungsmuster vor Augen.

3. Tamara Horáková & Ewald Maurer waren die Einzigen, die es gewagt haben, der mächtigen Architekturkulisse des Platzes ein dreidimensionales Gebilde gegenüberzustellen. Ein Leuchtobjekt – architektonisch wie der Umraum, rasch und vordergründig einer Genealogie der Leuchtkasten aus Gebrauchs- und Kunstindustrie einzugliedern. In einem weiteren radikalen Schritt entzieht das Künstlerpaar dem Foto die Abbildungsfunktion. Indem sie Licht anstelle von Fotografie einsetzen. Die Längswände des Objektes, das sich bei genauerem Hinsehen eindeutig als Schrank entpuppt, sind jeweils dreiteilige Großbilddias: Farbauszüge des Farbtones Elfenbein und weiter nichts. Mit Ausnahme einer kleinen rechteckigen Fläche, in die die Printing Datas der industriellen Herstellung dieser fotografischen Meterware am linken Teil der „Rückseite“ einkopiert wurden. Der Diskurs, der in diesem Objekt angelegt ist, läuft grundsätzlich in zwei Richtungen: in die der allgemeinen Architektur wie der speziellen des Platzes und in die der Geschichte und der aktuellen Positionen eines Mediums. Vor dem Hintergrund der sich mehrfach überlagernden und an den vorangegangenen Beispielen evident gewordenen, weil aufgearbeiteten Ebenen historischer wie gegenwärtiger Bildinformationen gewinnt der sachlich-kühle Verweigerungsakt gegenüber dem seiner Praxis nach Bilder in Hülle und Fülle produzierenden Medium eine besondere Stringenz. Aus den weitverzweigten Assoziationslinien, die dieses Werk bestimmen, seien nur einige wesentliche herausgegriffen: Das in den Platz achsial markant eingestellte Objekt gehört in seiner durchschlagenden Tektonik dennoch einer anderen Kategorie als der Umraum an, nämlich der des Möbels. Mit den 6 Saulen, die deutlich nur als Füße erscheinen, in Wirklichkeit aber den Körper durchwachsen und als Schattenlinien erkennbar werden, stellt sich eine Referenz zu den klassizistischen Bauformen her, freilich vom Gestalter des Möbels, dem Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe, der das Buffet für die Villa Tugendhat in Brünn fertigte, in einer gegenläufigen Tendenz zu den monumentalen Bauformen der beginnenden Dreißigerjahre eingesetzt.

Horáková & Maurer haben den Originalentwurf auf das Zweifache vergrößert und in allen Details genau rekonstruiert. Das Objekt referiert über das Spannungsfeld zwischen Kleinform und Großform auf dieser regelmäßig gestalteten kulturellen Küstenlandschaft hinaus auch die Zweckbestimmung Behältnis, die sich von den beiden aufeinander bezogenen Museumsbauten – Glyptothek auf der einen, Staatliche Antikensammlungen auf der anderen Seite – wie vom landläufigen Warencharakter der Kunst grundsätzlich nicht wesentlich unterscheidet. Auf einer, im Gegensatz zu den vorangegangenen Beispielen, indirekten Kommunikationsebene nimmt das Objekt, das sich einer präzisen und aktuellen Involvierung in das Geschichtsgefüge zu entziehen scheint, den Dialog auf mit den Fragen nach einer möglichen oder unmöglichen Neutralität der Formensprache, nach der Zweckform und ihrer Überhörbarkeit und nach dem besonderen Erscheinungs-Bild der Fotografie, der in diesem Fall beispielhaft eine andere, eine neue Authentizität verliehen wird. Es handelt sich um eine im öffentlichen Raum und im übertragenen Sinn rigoros eingeführte andere Maßstäblichkeit, die den herkömmlichen Wirklichkeitsbeleg auch mit allen verfremdeten Restwerten ein für allemal verabschiedet; die das Bild aus den traditionell genormten Gebundenheiten freispielt und damit die Bedeutungsstruktur grundsätzlich verhindert; die das Amt des Fotografen als Sachwalter der Reproduktion des tatsächlichen oder gestellten Realitätsgefüges zur Verfügung stellt und über die „Null­Form der Fotografie“ nach neuen Bezusgpunkten Ausschau hält, um das eingespielte Dialogverhalten der Foto/Kunst zu beleben.

Die im öffentlichen Raum veröffentlichte Fotografie besitzt ihre eigenen künstlerischen Gesetzmäßigkeiten, sie hat sich als Work in progress einer immer neu auszubildenden Sprache zu bedienen, um „umgangssprachlich“ verstanden zu werden. Dies ist ihre Aufgabe von der Seite der Kunst aus. Sie hat gegenwärtig kunstimmanente und realitätsrelevante Standpunkte auf einen Nenner zu bringen. Nicht mehr und nicht weniger sollte hier exemplarisch gezeigt werden.

MANUSKRIPT ZU: WERNER FENZ,  VON DER DUNKLEN HÖHLE ZUR HELLEN KAMMER, in: CamerA Austria, intErnational, Jg. 41, Graz: Forum Stadpark, 1992, S. 23 – 32.
ABBILDUNGEN: NEUE GALERIE AM LANDESMUSEUM JOANNEUM, steiRischer herbst, katalog-des-sowjet-pavillons-auf-der-internationalen-presse-ausstellung-köln, STÄDTISCHE GALERIE IM LENBACHHAUS MÜNCHEN
FOTOS: Richard Kriesche, HORÁKOVÁ & MAUERER, ARCHIV FENZ-KORTSCHAK
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