real presence, Künstlerhaus Graz

real presence, Künstlerhaus Graz

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real presence, Graz, Künstlerhaus 2009
Zoran Todorović, Die Braut
real presence, Graz, Künstlerhaus 2009
Ausstellungsansicht
real presence, Graz, Künstlerhaus 2009
Nenad Glišić, Training
real presence, Graz, Künstlerhaus 2009
Selman Trtovac, Die Angstspirale - Es ist ein roter Fes, meine Mutter
real presence, Graz, Künstlerhaus 2009
Milan Blanuša, Nichts ist mehr wie es war
real presence, Graz, Künstlerhaus 2009
Živko Grozdanić, Vier Patriachen schauen die 200.000 Linien von Raša Todosijević
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Wenn die Kunst die reale Gegenwart als Thema einfordert

Es zählt zu einem jährlichen Punkt im Programm des Künstlerhaus Graz, einer Abteilung des Landesmuseum Joanneum, den „Blick über die Grenzen“ zu werfen. Auf der möglichen Palette der Anlässe zu diesem Konzept zählt weder eine Art Höflichkeit den unmittelbaren oder historischen Nachbarn gegenüber, noch ein, wie auch immer gearteter, touristischer Aspekt. Der Grund ist in erster Linie das Interesse, und in weiterer Folge muss man schließlich von einer Form der Verpflichtung sprechen, nämlich dann, wenn das Zusammenstellen von Ausstellungen weder durch einen inhaltslosen Austausch noch durch eine Blockbuster-Haltung geprägt sein will.

Ausstellungsansicht, real presence,, Graz, Künstlerhaus 2009

Ausstellungsansicht, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Das am Beginn der 1950er Jahre errichtete Künstlerhaus war lange Zeit ausschließlich in den Händen traditioneller Künstlervereinigungen, die den schönsten Ausstellungsraum von Graz ausschließlich für sich zu reklamieren versuchten. In der jetzigen Halbe-Halbe-Kompromisslösung, eine Hälfte des Jahres die Mitglieder von fünf Vereinen, die andere Hälfte das Joanneum, ist in der Zeit der kuratierten Programmstruktur durch den künstlerischen Leiter eine besonders sorgfältige und kritische Haltung notwendig. Diese äußert sich auf mehreren Ebenen, unter anderem in klaren Kontexten zur räumlichen Situation des Hauses, zur Reflektion des White Cube am Beginn des 21. Jahrhunderts und, damit verbunden, zur Durchlässigkeit von Innen und Außen: beispielsweise in Form der Forcierung von Positionen, die offensiv vom gesellschaftlichen Segment der Kunst aus an der Konstruktion von Wirklichkeit mitwirken.

Nenad Glišić, Training, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Nenad Glišić, Training, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Nach einem spezifischen Einblick in die slowenische Kunstszene und der darauf folgenden Präsentation von KünstlerInnen, die aus kulturpolitischen Gründen an die Ergebnisse eines Wettbewerbes gebunden waren, womit sie  so gut wie außerhalb der Mitgestaltung des Grazer Partners lag, kommt nun die Konfrontation mit serbischer Kunst im richtigen Augenblick, um der Idee des Blicks nach außen wieder das entsprechende Profil verleihen zu können. Mit dem kuratorischen Schritt nach Novi Sad – eine Stadt, die etwa auf der Augenhöhe von Graz liegt – ist die erste wesentliche Entscheidung gefallen. Nach der zunächst angebotenen Möglichkeit, Werke aus der Sammlung des Museums für Moderne Kunst Beograd in Graz zu zeigen, ist die endgültige Entscheidung durch aktivere Möglichkeiten der Kooperation sowohl mit der Kollegenschaft eines neu definierten Museums als auch mit den KünstlerInnen selbst gekennzeichnet. Die Ambitionen, ein ehemaliges Museum der sozialistischen Revolution seit 2001 in ein Kunstmuseum zu wenden und aktuelle Perspektiven der künstlerischen Produktion zu präsentieren bzw. anzuregen, kommen dem Profil der Künstlerhaus-Ausstellungen gerade recht. In der zusammengestellten Auswahl sind eine Reihe von virulenten Prozessen abzulesen: neben den künstlerischen, mit ebenso großer Bedeutung ausgestattet, die politischen und gesellschaftlichen. In der gewählten Form unterläuft die durchaus mit programmatischem Anspruch versehene Schau die an vielen Ecken Europas veranstalteten, mit unterschiedlichen Titeln versehenen Importschlager „Balkan-Kunst“. Die zumeist kaum Klischees vermeidenden, mehr  „westlich“ selbstgerecht als wissenschaftlich seriös  untermauerten, sogenannten Bilanz-Veranstaltungen  konnten (oder wollten) wenig zur Integration der südosteuropäischen Kunst in die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beitragen. Dies vor allem deshalb, da der Fokus, auch etliche Jahre nach den entscheidenden geopolitischen Veränderungen, auf das „Exotische“ des weiter zurückliegenden wie auch des zeitgenössischen Angebots gelegt worden war.

Selman Trtovac, Die Angstspiralle - Es ist ein roter Fes, meine Mutter, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Selman Trtovac, Die Angstspirale – Es ist ein roter Fes, meine Mutter, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Es soll und darf nicht behauptet werden, dass real presence nun all diese aufgestauten Missverständnisse mit einem Mal zu kompensieren vermag. Aber das ist auch nicht der Anspruch, den diese Veranstaltung stellt. Vielmehr ist es wichtig festzuhalten, auch wenn die Kunstwerke von sich aus ihren überzeugenden Beitrag leisten, dass eine offen gehaltene Rezeption, ohne tradierte oberflächliche Kategorisierungen, die Sprache der „Anderen“ lesbar  und die geschriebenen Texte verstehbar machen kann. Freilich werden sich Situationen abbilden – ein entscheidender Grund, diese Ausstellung für das Künstlerhaus zusammenzustellen – die mit dem gesellschaftspolitischen Status eines bestimmten Territoriums zu tun haben. Jedoch nicht, weil wir es uns so vorgestellt, so erwartet haben, sondern weil VertreterInnen der serbischen Gegenwartskunst diese Themen schon seit einiger Zeit auf ihre Agenda genommen haben: Aus dem Interesse oder aus der Notwendigkeit heraus, das künstlerische Handeln in dieser Form zu kontextualisieren.

Milan Blanuša, Nichts ist mehr wie es war, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Milan Blanuša, Nichts ist mehr wie es war, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Serbien hat eine nicht unbeträchtliche Zahl von international anerkannten Künstlern aufzuweisen. Andererseits haben bereits in den 1970er Jahren wichtige VertreterInnen der westeuropäischen Kunst Beograd, vorwiegend dem Studentenzentrum, ihre Aufwartung gemacht und so lebendige Verbindungen herstellen können. Auch während des schrecklichen letzten Kriegs und der Bombardierungen haben immer wieder Kunstaktionen auf den Straßen stattgefunden. Das bedeutet letztlich auch, dass die Kunst in diesem Land einen hohen und, so scheint es, wie selbstverständlichen Stellenwert einnimmt, selbst wenn man das Motiv des Handelns aus Verzweiflung in Betracht ziehen muss.

Živko Grozdanić, Vier Patriachen schauen die 200.000 Linien von Raša Todosijević, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Živko Grozdanić, Vier Patriachen schauen die 200.000 Linien von Raša Todosijević, real presence, Graz, Künstlerhaus 2009

Es ist als Erfolg zu verbuchen, dass wir im Künstlerhaus eine ohne den Gestus der Repräsentation auskommende konzentrierte und exemplarische Ausstellung serbischer Gegenwartskunst zeigen können. Exemplarisch, was die Positionen der Kunst betrifft, exemplarisch aber auch in der Vorbereitung und Realisierung. Mein besonderer Dank gilt in erster Linie Frau Mirjana Peitler, die, mit der serbischen Kunst vertraut, spontan die Einladung angenommen hat, einen Großteil der kuratorischen Arbeit zu übernehmen. In langen Gesprächen wurden gemeinsam die für die serbische Gegenwart wichtigsten Felder der Kunst analysiert und die Möglichkeiten abgesteckt,  diese in Graz entsprechend zu präsentieren. Mirjana Peitler ist ein weiteres  Bespiel dafür, wie sich das Studium der Kunstgeschichte, das sie in Graz absolviert hat, zwar nicht einfach, aber dennoch erfolgreich mit der Praxis in Verbindung bringen lässt. Dieses Modell zu forcieren, sollte immer in unser aller Interesse liegen.

Auszug aus: WERNER FENZ, Wenn die Kunst die reale Gegenwart als Thema einfordert. IN: Ausstellungskatalog Real life presence, Künstlerhaus Graz, Museum of Contemporary Art Vojvodina, Graz 2009, S. 4 – 8
ABBILDUNGEN: LANDESMUSEUM JOANNEUM, Selman Trtovac
FOTOS: Nicolas Lackner