Das Bildformat Krieg

Das Bildformat Krieg

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2001
Matthias Wähner, Kingkong, Warshots, Afghanistan
[Public domain], via Wikimedia Commons
WTC Groundzero 2001, By NOAA
2001
Matthias Wähner, Kingkong, Warshots, Afghanistan
1999
Matthias Wähner, Just do it, Warshots, Kosovo
1967 - 1972
Martha Rosler, Bringing the War Home: House Beautiful
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen
Otto Dix, Der Krieg, 1929 - 1932
Madrid, Museo Reina Sofia
Pablo Picasso, Guernica, 1937
KRIEG. Graz 1993
Verena Kraft / Kurt Petz, Guernica
KRIEG. Graz 1993
Verena Kraft / Kurt Petz, Guernica
Ausstellungskatalog. Graz, Neue Galerie 1994
Sanjin Jukić, Presscard, 1994
Graz, Neue Galerie 1994
Sanjin Jukić, Sarajevo Ghetto Spectacle
Graz, Neue Galerie 1994
Sanjin Jukić, Phantom of Liberty or a statue for Bosnia
Graz, Neue Galerie 1994
Sanjin Jukić, Menu 1992/1993
Graz, Neue Galerie 1994
Sanjin Jukić, Only we fly to Sarajevo. Maybe Airlines
2000-3, Graz 1997
AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future
2000-3, Graz 1997
AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future
2000-3, Graz 1997
AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future
Graz, Neue Galerie 1994
Sanjin Jukić, Marlboro Redesign as a Phantom of Liberty for Film Mizaldo
KRIEG. Graz 1993
Martha Rosler, It Lingers / Es geht weiter
KRIEG. Graz 1993
Martha Rosler, It Lingers / Es geht weiter
2002
Hannes Priesch, Paint the Town Red, White and Blue, A Flag Series
SkulpturProjekte, Münster 1987
Hans Haacke, Hippokratie
ArgusAuge, München Propyläen, 1991
Hans Haacke, Die Fahne hoch
ArgusAuge, München Propyläen, 1991
Hans Haacke, Die Fahne hoch
1993 - 1995
Beate Passow, Andreas von Weizsäcker, Wunden der Erinnerung
1995-1997
Beate Passow, Zähler/Nenner
Graz 1996
Jochen Gerz, Die Gänse vom Feliferhof, Projektentwurf
Graz 1996
Jochen Gerz, Die Gänse vom Feliferhof, Projektentwurf
Erlauf 1995
Jenny Holzer, Friedensdenkmal
Erlauf 1995
Oleg Komov, Friedensdenkmal
Erlauf 1995
Jenny Holzer, Friedensdenkmal
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Realität, Symbol, Index

Erst kürzlich behauptete Jean Baudrillard in einer kritischen Auseinandersetzung mit der Globalisierung, am 11. September sei in Umkehrung einer geläufigen Praxis das Symbol zur Realität geworden, die Zerstörung der Zwillingstürme, dieser „blinden kommunizierenden Röhren“ habe klar auf der empirischen Ebene stattgefunden, könne aber auf der symbolischen Ebene als Menetekel gelesen werden: „Die Leere nach der Zerstörung zeigt die Realität leerer Tauschbeziehungen. Der Kampf wurde in diese Symbolsphäre verlagert, das System durch einen Tausch herausgefordert – den Tod – den es nicht annehmen kann“1Vortrag von J. Baudrillard im Rahmen der Veranstaltungsserie „Globalisierung und Gewalt. Perspektiven nach dem 11.September“, Wien, Volkstheater, 17. März 2002..

WTC Groundzero 2001, By NOAA [Public domain], via Wikimedia Commons

WTC Groundzero 2001, By NOAA [Public domain], via Wikimedia Commons

Diese Analyse mag uns herausfordern, gerade wegen der in allen Dimensionen gesetzten Singularität des Ereignisses einerseits über die realen politischen Ursachen und Konsequenzen, weltweit auf der ästhetischen Ebene durch den Bilderschock ausgelöst, zu reflektieren, andererseits in den jüngeren weltpolitischen (Kriegs)Archiven mögliche Vergleichsbeispiele auszuheben. Auch wenn der Schauplatz Ex-Jugoslawien mit den länger oder kürzer währenden Unabhängigkeitskriegen am Beispiel Kroatien oder Slowenien, der Zerschlagung und Aufsplitterung von Bosnien-Herzegowina und den Befreiungskämpfen im Kosovo von der Weltöffentlichkeit in der Regel meist nur als politischer Unruheherd wahrgenommen oder eingestuft worden war und in den Zielsetzungen nicht mit den Attacken in New York und Washington – „Die Welt ist nicht mehr wie sie vorher war“ – gleich zu setzen ist, lassen sich im Bereich der Zerstörung oder Auslöschung von realen Objekten, die in diesem Fall weniger politische und wirtschaftliche Symbolgrößen als vielmehr Kulturmarken repräsentieren, durchaus vergleichbare Intentionen ausmachen. Wie sonst wäre es zu erklären, dass neben anderen kulturellen Denkmälern die Bibliothek in Sarajewo ein zentrales Angriffsziel in den Kriegshandlungen war. In dieser Gegenüberstellung unterscheiden sich nicht so sehr Struktur und Bedeutungsintensität des Symbols als vielmehr der Akt der Symbolsetzung. Auf der einen Seite die gezielte Vernichtung kultureller Identität im Kugelhagel des Zerstörungskampfes, auf der anderen Seite die perfekte, medial endlos reproduzierbare Inszenierung einer Attacke – auch wenn George W. Bush unmittelbar danach und immer wieder von Krieg gegen die USA sprach – gegen die potenteste Wirtschaftsmacht des Westens. Wohl wurde das symbolische Bild unmittelbar wahrgenommen und unschwer decodiert; dass es zeitgleich, wenn nicht sogar Bruchteile von Augenblicken zuvor Realität war, bedurfte eines zunächst durch Schock gelähmten Nachvollzugs.

Matthias Wähner, Kingkong, Warshots, Afghanistan 2001

Matthias Wähner, Kingkong, Warshots, Afghanistan 2001

Es überrascht nicht, wenn im Bildersampler Warshots 2001 von Matthias Wähner2Präsentiert Anfang 2002 im Lenbachhaus München. neben den Comics über den einzigen Todfeind die virtuelle Sequenz elastischer Twin Towers, die jederzeit in der Lage sind, der Kollision mit Flugzeugen auszuweichen, zu den eindrucksvollsten „kreativen Gestaltungen“ zählt. Wähner begann Warshot bereits zur Zeit des Kosovo-Kriegs 1999. Direkt aus dem Internet baute sich, akribisch recherchiert, eine umfangreiche Sammlung von zugänglichen Informationen zum Krieg auf. Ziel war es, die im Netz in Text und Bild tobende Propagandaschlacht zu Kriegshandlungen auf einer anderen, einer fanatisch akklamierenden oder kommentierenden, Ebene zusammen zu führen. Aus unmittelbarem Anlass wurde das Projekt nach dem 11. September fortgeführt. Eine Verschiebung der Darstellungsmodi zählt zu den bemerkenswertesten Erkenntnissen der ausgebauten Sammlung: „Kriegswahrnehmung wird zunehmend auf Kriegsahnung reduziert.

Matthias Wähner, Just do it, Warshots, Kosovo 1999

Matthias Wähner, Just do it, Warshots, Kosovo 1999

Trotzdem wird im Internet Krieg geführt. Hier kämpfen die Kreativen, nicht weniger blutig als die Kollegen an der Front, und mit der gleichen kompromisslosen Härte, gegen den einen Mann, der im World Wide Web bereits den tausendfachen Tod gestorben ist.“3Aus einem Statement des Künstlers zur Präsentation. Information wird durch Darstellungen in Collagen und Animationen ersetzt, das Geschehen oder dessen Hintergründe dienen, gekoppelt mit „funny songs“, als Bildgrund.

An Hand dieser Artikulationsmatrix stellt sich in einem Shift von der sogenannten U- zur sogenannten E-Kunst die grundsätzliche Frage, inwieweit sich am Thema Krieg Gestaltungstheorien festmachen lassen, ob sich die These vom Index der Kunst, einer zunehmend metonymischen Ausrichtung mit der damit einher gehenden Ablösung des Ikons und des daran geknüpften traditionellen Symbolbegriffs am besten hier verifizieren lässt, ob also Krieg tatsächlich ein Paradigma sein kann, „das unter anderem von der Idee eines Übergangs von der Kategorie des Ikons zur Kategorie des Index ausgeht, eines Übergangs, der nicht nur als historisches Kennzeichen der Moderne angesehen wird, sondern ganz allgemein auch als eine theoretische Verschiebung, in der eine (klassische) Ästhetik der Mimesis, der Analogie und der Ähnlichkeit (die Ordnung der Metapher) von einer Ästhetik der Spur, der Berührung und der referentiellen Kontiguität (der Ordnung der Metonymie) abgelöst wird“.4Philippe Dubois, Der fotografische Akt, Geschichte und Theorie der Fotografie, Bd. 1, Verlag der Kunst: Amsterdam, Dresden 1998

In Bezug auf existentielle und humanpolitische Ereignisformen wie Krieg ist aber auch die Frage zu stellen, in welcher Weise und mit welchen Implikationen ein „engagierter Umgang“ mit dem Thema vor dem Hintergrund einer veränderten künstlerischen Methodologie möglich ist und in welcher Weise er sich manifestiert. Im Paradigmenwechsel von den veritablen, fotohistorisch wie kunstwissenschaftlich bemerkenswerten Kriegs- und Krisenreportern (mit der Zentralfigur Robert Capa) zu den auf der Bühne der Kunst in den Vordergrund gerückten „Bildern nach den Bildern“ bzw. zu einem – als entscheidendes Moment – deutlich herausgearbeiteten veränderten Anlass für Bildproduktionen zu einer derart politischen wie existentiellen Thematik dürfen kritische Positionen zur Life-Fotografie nicht unberücksichtigt bleiben.

Martha Rosler, Bringing the War Home: House Beautiful, 1967 - 1972

Martha Rosler, Bringing the War Home: House Beautiful, 1967 – 1972

Der visuelle Atlas urbaner, kultureller und sozialer Codes ist nicht, wie Martha Rosler einmal formulierte, ein Schauplatz der Opferfotografie, sondern kann nur einen Kontext der durchschnittlichen Nähe verbildlichen. Nur über diesen, das „exotische“ Moment der „Randerscheinungen“ vermeidend, lässt sich das immer dichter geknüpfte Netz der Macht-, Abhängigkeits- und Illusionsstrukturen, die auch hinter den banalsten Bildoberflächen zu Tage treten, sichtbar machen.5Martha Rosler, Drinnen, Drumherum und nachträgliche Gedanken (zur Dokumentarfotografie), in: Sabine Breitwieser (Hg.), Martha Rosler, Positionen in der Lebenswelt, Wien: Generali Foundation; Köln: König, 1999, S.108. Mit der Bemerkung „Kriegsfotografen schaffen aufwühlende Bilder, groteske Bilder, schöne Bilder. Vietnam, ein fotojournalistisches Spektakel, war der erste Krieg, in dem die Kriegsfotografie als Kunst betrachtet wurde. Im Moment ihrer Überwindung wurde die Fotografie als Kunst entdeckt, während Radio- und Fernsehsender die Wahrheit brachten“6Martha Rosler, Nachrichten und Ansichten vom Krieg, in: Werner Fenz, Christine Frisinghelli (Hg.), KRIEG. 1. Österreichische Triennale zur Fotografie, Bd 2, Graz 1993, S. 83 weist Rosler auf einen Status der Kunst hin, der üblicherweise Symbol oder übertragene Spur der Realität heißen kann, in wesentlichen Ausformungen etwa des letzten Jahrzehnts vor allem über metonymische und indexikalisch zugespitzte Methoden neue Anschauungsqualitäten hervorgebracht hat.

Otto Dix, Der Krieg, 1929 - 1932, Dresden Staatliche Kunstsammlungen

Otto Dix, Der Krieg, 1929 – 1932, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen

Im 20.Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg spielte für nicht wenige Künstler der Realismus, auch auf der Basis des realen Erlebens, noch eine entscheidende Rolle. Otto Dix könnte uns mit seiner Aussage „Ich bin so ein Realist, dass ich alles mit eigenen Augen sehen muss, um zu bestätigen, dass es so ist“7F. Löffler, Otto Dix und der Krieg, Leipzig 1986, S.6 in der Annahme bestätigen, dass es einen ungestillten Drang, das Abstraktum Krieg leibhaftig zu erleben, gab. Diese Aufgabe hat nach dem Film in der Zwischenzeit weitgehend die Medien-Bild-Industrie übernommen, wobei die Autorenschaft abhanden kam. Das mehr als zehn Jahre nach dem Ende der ersten Jahrhundertkatastrophe von Dix gemalte Triptychon Der Krieg gilt heute, vielleicht noch vor Picassos Guernica, als eines der bedeutendsten Antikriegsbilder, obwohl der Künstler auch nach der Fertigstellung noch nachdrücklich erklärt hatte, die Bilder nicht gemalt zu haben, um den Krieg zu verhindern.8F. Löffler, op.cit., S.14 Mit dem Anspruch an die Kunst, Veränderungen herbeizuführen, gehen GegenwartskünstlerInnen auf unterschiedlichste Weise um – die Konsequenzen reichen vom Rückzug bis zur Entwicklung sozialer Strategien, die unmittelbar in die Lebenswelt eingreifen.9„Charlotte Prosenenske hatte sich mit dem Statement, dass Kunst nichts zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme beitragen könne von der Kunst verabschiedet…Als Demokratin baute sie auf die Kraft rationaler Argumentation, die Kunst nicht leisten kann“, in: Alice Creischer, Andreas Siekmann (Hg.), Die Gewalt ist der Rand aller Dinge, Ausstellungskatalog der Generali Foundation, Wien 2002, S. 71. „In Anlehnung an viele Künstler des 20.Jahrhunderts, die es verstanden, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten, betrachtet die WochenKlausur den Kunstbetrieb als eine Möglichkeit, längerfristige Verbesserungen des Zusammenlebens zu erzielen…Überall gibt es Probleme, die sich auf konventionellem Weg nicht lösen lassen und als Thema für ein Kunstprojekt herangezogen werden können“. Pascale Jeannée, Kunst und konkrete Intervention, in: Wolfgang Zinggl (Hg.), WochenKlausur. Gesellschaftspolitischer Aktivismus in der Kunst, Springer: Wien, New York, 2001, S.7

Guernica im Paradigmenwechsel (zum Beispiel)

Dix widmet sich dem klassischen Anti-Kriegsbild, ebenso Picasso. Seine auf das kubistische Formenvokabular bezogenen Symbolformen der brennenden Frau, des „Racheengels“, des zerbrochenen Schwerts, aus dem die Blume sprießt, des Dorns im Maul und des Speers im Körper des das politische Spanien repräsentierenden Pferdes stehen für die Opfer der faschistischen Vernichtungsstrategie.

Pablo Picasso, Guernica, 1937, Madrid, Museo Reina Sofia

Pablo Picasso, Guernica, 1937, Madrid, Museo Reina Sofia

In der 1993 für die Ausstellung KRIEG.10KRIEG. 1 .Österreichische Triennale zur Fotografie, Graz 1993 konzipierten Arbeit von Verena Kraft und Kurt Petz bildet die Täter-Opfer-Rolle im Sinne traditioneller „engagierter Kunst“ nicht das Dispositiv der Darstellung, und damit unterliegen auch die Interpretation und die Handhabung des Index Kunst einer gravierenden Veränderung. Nicht allein die ungewöhnliche Formensprache zeichnet dafür verantwortlich, es handelt sich vielmehr um eine neue Deutung des Symbols. Über den eigenen und rückbezüglichen Titel Guernica können wir uns des historischen Bezugs versichern. Der im Bürgerkrieg vernichtete Ort dient als politische wie als kunstgeschichtliche Folie.

Verena Kraft / Kurt Petz, Guernica, KRIEG. Graz 1993

Verena Kraft / Kurt Petz, Guernica, KRIEG. Graz 1993

Eine Voraussetzung für die symbolische Neuformatierung liegt im Aufsuchen des Originalschauplatzes nach mehr als 50 Jahren, in den umfangreichen Recherchen über das polit- wie militärgeschichtliche Umfeld der Kämpfe und in der dadurch als bestimmender Faktor nachzuweisenden Authentizitätsgrundlage für den Arbeitsprozess. In der exakten fotografischen Vermessung und in der Bearbeitung der Dokumentaraufnahmen mit dem medienimmanenten Faktor Licht, das Realität erscheinen lässt, diese aber genauso gut zum Verschwinden bringen kann, liegen die Eckpunkte einer auf die damaligen Werkzeuge der Täter fokussierten Zustandsschilderung. Das heutige Guernica ist unspektakulär aus den vier Himmelsrichtungen so dokumentiert, dass sich eine Identifikation mit einem Schauplatz der Geschichte nicht sofort und ohne weiteres einstellen will. Den Fotos wird jeweils einer der damals eingesetzten vier Flugzeugtypen zugeordnet und zeichnerisch eingeschrieben. Die ikonischen Zeichen Dorf und Zerstörungsgerät initiieren in der Überlagerung eine neue Matrix sowohl im Bezug zum Thema als auch zur Handhabung des fotografischen (Ab)Bildes. Dazu erweist sich in weiterer Folge die spezifische Anordnung wie ein Reagenzglas, in dem die einwirkenden Faktoren Licht und Zeit ihre Wirkung entfalten.

Verena Kraft / Kurt Petz, Guernica, KRIEG. Graz 1993

Verena Kraft / Kurt Petz, Guernica, KRIEG. Graz 1993

Aus den Landschaftsfotos wurden während der Dauer der Ausstellung mittels einer starken Lichtquelle die „Schatten“ der Flugzeuge aus-gebleicht, aus-belichtet, gelöscht. Durch diese Einwirkung auf eine hochindustrialisierte Fotoschicht erstand mittels ikonischer Versatzstücke ein Synonym für ein historisches Geschehen, das die Auslöschung zum Ziel hatte. Der komplexe Fokus von der Gegenwart aus führt zu einer indexikalischen Neubewertung. Der in Gang gesetzte, mit zeitlicher Dauer verknüpfte technische Prozess zielt auf den Referenten – Guernica und seine historische Topografie – nicht ohne auf einer symbolischen Ebene dem Aufzeichnungsmedium Fotografie ein inhaltlich und physikalisch diametral entgegengesetztes Profil zu verleihen.

Inszenierung des Wirklichkeitsrahmens

„Metaphorisch ausgedrückt bereiten sich diejenigen, die ideologisch hinter der Zerstörung der Zwillingshochhäuser in Sarajewo stehen und deren eigentliche Inspiratoren sind, langsam und insgeheim darauf vor, im günstigen Moment auch die New Yorker Twin Towers zu zerstören. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie das weltweit verbreitete System des Kapitalismus und die Werte der offenen Gesellschaft vernichten wollen, um dann ihre Gewaltherrschaft anzutreten“.11Sanjin  Jukić, in: Werner Fenz (Hg.), Sanjin Jukić – Sarajevo Ghetto Spectacle , Graz, Neue Galerie 1994

Sanjin Jukić, Presscard, 1994. Ausstellungskatalog. Graz, Neue Galerie 1994

Sanjin Jukić, Presscard, 1994. Ausstellungskatalog. Graz, Neue Galerie 1994

Dieses Statement gab der bosnische Künstler Sanjin Jukić sieben Jahre vor dem 11.September anlässlich seiner Ausstellung als Artist in Residence ab. Die Flucht nach Österreich war ihm mit Hilfe eines Presseausweises der UNPROFOR gelungen. Seine aus dem Status des Betroffenen in Szene gesetzte künstlerisch verarbeitete „Bilanz“ wirft deutlicher als in anderen Zugängen die Frage auf, ob und in welchem Ausmaß angesichts des (in diesem Fall selbst erlebten) Grauens mit seiner omnipräsenten medialen Vermittlung eine „objektive“ Bildsprache, das heißt eine, die sich sozusagen unerschrocken der fotografischen oder filmischen Dokumentation der Fakten annimmt, obsolet geworden ist, und ob da wirklich nur der Ausweg bleibt, Meryl Streep eine Hauptrolle in einer Filmtragödie anzubieten, um über das „Docudrama“ mit dem Einsatz aller verfügbaren charismatischen Kräfte das Genre Kunst zur Bewusstmachung oder Identitätsstiftung einzusetzen.12Fred Ritchin, Kriegsspiele, in: Werner Fenz, Christine Frisinghelli (Hg.), KRIEG. 1.Österreichische Triennale zur Fotografie, Bd 1, Graz 1993, S. 57

Jukić nahm den in dieser Zeit bereits eindeutig medial konfigurierten Ball in vollem Umfang auf, indem er sich dieser professionellen Strategie versicherte und sie vor allem in Richtung kulturhistorisch komplexer Inszenierung wie Konzentration auf das Logo entwickelte. So splittete sich seine Schau folgerichtig auch im wesentlichen in diese beiden Arbeitsfelder auf. Erst in der Wahrnehmung dieses korrespondierenden Verhaltens, in der Überlappung der Anordnungen durch die optischen und inhaltlichen Referenzen, war die spezifische Methodik abzulesen. „Sarajevo Ghetto Spectacle“ als Motto dieser als ebenso intellektuelle wie visuelle künstlerische Bilanzierung angelegten künstlerischen Präsentation schlug den Grundakkord eines konzeptuell interaktiven symphonischen Stücks an, dessen Ausstattung nicht allein aus der Wirklichkeit, sondern im selben Umfang aus den geläufigen Wahrnehmungsmöglichkeiten der Wirklichkeit bestand. Diese scheinen einem medialen und werbestrategischen Musterkatalog zu entstammen. Im Einführen einer solchen Matrix als Konsequenz gegenwärtig wirksamer Rezeptionsebenen, wobei vor allem die Nivellierungsqualität der unterschiedlichen, visuell vorgeführten Ereignisse von weitreichender Bedeutung ist, schafft Jukić die Voraussetzungen für seine Arbeitsmethode und die daraus abgeleiteten stringenten Ergebnisse.

Sanjin Jukić, Sarajevo Ghetto Spectacle, Graz, Neue Galerie 1994

Sanjin Jukić, Sarajevo Ghetto Spectacle. Graz, Neue Galerie 1994

Auf der einen Seite stehen also die Inszenierungen, die sich mehrfach und aus verschiedenen Zusammenhängen heraus überlagern: Eine modellhafte Guckkastenbühne führt quasi als Auftakt den kulturhistorischen Kontext ein. Im maßstäblich und von der Relevanz gegenläufig vorgeführten Mittel der Archaisierung des Informationsspeichers – ein kleiner Monitor im Repräsentation vortäuschenden vergoldeten Bühnenraum-Objekt – wird dessen weltweite Präsenz als Nachrichtenübermittler, in dem sich die traditionelle Life-Berichterstattung als Teil eines vielfältigen, auf Chronik und Unterhaltung ausgerichteten Programms darstellt, wieder in das volle Bewusstsein gerückt. Kulturhistorische Repräsentationsstrategien beziehen sich auf die unterschiedlichsten medialen und zeitlichen Informationsebenen: Das Signet der bisher mächtigsten Bilderzeugungsindustrie Hollywood wird durch den Schriftzug Sarajevo ersetzt, die Bühnenraum-Rahmen auf die Grande Arche als Zentrum von La Défense, das neue Paris, bezogen und das Video mit einem Medley aus Opernklassikern synchronisiert. Die elektronische Produktion selbst thematisiert den Krieg als Medienspektakel aus unzensurierten Life-Bildern, politischen Kommentaren und eingespielten Werbespots vor dem Hintergrund der Verwüstung: Zwischen Start und Ziel des Nike-Läufers zieht das Panorama zerschossener Straßenbahnen, verwüsteter Häuser und vor Heckenschützen flüchtender Menschen vorüber.

Sanjin Jukić, Phantom of Liberty or a statue for Bosnia. Graz, Neue Galerie 1994

Sanjin Jukić, Phantom of Liberty or a statue for Bosnia. Graz, Neue Galerie 1994

Auf die Kategorie der Inszenierung greift Jukić, mit jeweils unterschiedlichen formalen Schwerpunkten, unter anderem auch in „Phantom of Liberty or a Statue for Bosnia“ und im „Restaurant War-Torn City Sarajevo“ zurück. Im Arrangement aus Fotografie, Fotocollage und Readymade-Skulptur wird der Bild- und Realitätstransfer der New Yorker Freiheitsstatue zum zentralen Gestaltungselement. Der von der Decke hängende Sockel mit dem 50-Dollar-Souvenir als Skulptur rekurriert auf die banale Gestensprache römischer Cäsaren, die mit erhobenem oder gesenktem Daumen über Leben und Tod entschieden. Das Herr-Sein über menschliches Leben wird nun auf die mit wesentlich einschneidenderen Auswirkungen ausgestattete Macht des westlichen Kapitalismus gemünzt. Die zerbombten Twin Towers von Sarajevo repräsentieren in Verbindung mit der einkopierten Freiheitsstatue das Scheitern der Bemühungen um einen wirtschaftlichen Anschluss Bosniens an das spätkapitalistische Wirtschaftssystem bzw. die aus der Sicht von Jukić verhinderte und vom Westen tatenlos hingenommene, bereits im Aufbau befindliche Integration. Das hier eingesetzte künstlerische Instrumentarium greift bewusst auf die einfachst mögliche Symbolsprache zurück. Im Blow Up und im Arrangement einer „Ansichtskarten- und Souvenirästhetik“ werden weitreichende und tiefgreifende Zusammenhänge visuell an der Oberfläche abgehandelt, um den einprägsamen Logo-Stil (hier überlappten sich die beiden formalen und inhaltlichen Schwerpunkte der Ausstellung) zu konterkarieren und damit in seiner insgesamt vordergründig formalen „Griffigkeit“ zu entlarven.

Sanjin Jukić, Menu 1992/1993. Graz, Neue Galerie 1994

Sanjin Jukić, Menu 1992/1993. Graz, Neue Galerie 1994

Im „Restaurant“ schlüsselt Jukić unter dem Übertitel „Menü 92/93“ den Inhalt eines Care-Pakets der UNO-Truppen visuell auf. Er tapeziert den Hintergrund mit Camouflage-Stoff und ordnet die in den flachen Briefchen zusammen gepresste Nahrung akribisch, wie in einer musealen Schausammlung, an. Die Aedicula des Wandteils schlägt, in Verbindung gesetzt mit dem kubenförmigen Sockel, unvermittelt in ein Epitaph mit Inschriften und Realobjekten (als assoziative Grabbeigaben) um.

Für die auf der Ebene des Logos vorgenommenen Reduzierungen liegen in „Marlboro Redesign as Phantom Freedom“ und „Enjoy Sarajevo“ (dem Schriftzug Coca Colas nachgebildet) klar präzisierte Beispiele vor. An Hand von Only we fly to Sarajevo. Maybe Airlines wird die komplexe, weil rückbezügliche Struktur dieser “plakativen” Gestaltungen offensichtlich. Jukić verwandelt in einem großformatigen Billboard (über einem Schreibtisch-Modell des Flugzeugs) ein Life-Foto abseits der grausamen Kampfhandlungen in die metaphorische Bildsprache eines Zustandsprotokolls. Den Werbeslogan der internationalen Luftfahrt, der grenzenlose Mobilität suggeriert, kehrt er allein durch die Auswahl des Flugzeugtyps in sein Gegenteil um. Im Konflikt zwischen der Semantik der Sprache und der Semantik des Bildes wird auf der visuellen Ebene, in die Slogans heute zum Großteil einzugliedern sind, die Ghetto-Situation einer Stadt und ihrer Bewohner beschrieben. Die amerikanischen Hercules-Transportmaschinen halten mit ihren Einsätzen notdürftig die Versorgung aufrecht.

Sanjin Jukić; Only we fly to Sarajevo. Maybe Airlines, Graz, Neue Galerie 1994

Sanjin Jukić, Only we fly to Sarajevo. Maybe Airlines, Graz, Neue Galerie 1994

Wie so oft bei der vorliegenden künstlerischen Methode liegt der Widerspruch zwischen Bildkomposition und Bildmotiv. Damit wird das Alltagspotential der Rezeption ausgereizt, einer Rezeption, die auf visuelle Kategorisierungen trainiert ist. Im Unterlaufen dieser Kategorisierungen erzeugt Jukić jene Distanz, die es ihm ermöglicht, den Krieg als politisches Realphänomen in eine künstlerische Phänomenologie überzuführen. Nicht der Handlungsort selbst (oder wenn, nur in einer ausschnitthaften Hintergrundpositionierung), nicht die kunstsprachliche Abstraktion bzw. Überhöhung sind die Gestaltungselemente – was angesichts der gegenwärtigen Realitätsverhältnisse und möglicher künstlerischer Umgangsformen mit diesen mehr als fragwürdig wäre, – sondern die Projektionsflächen vermittelter und gebrauchter Bilder dienen als Material für eine visuelle Bearbeitung. Graduelle Syntaxverschiebungen öffnen den künstlerischen Denk- und Handlungsraum, in dem Fragmente des Realen, seiner Projektionen sowie bildstrategische Aufbereitungen im Nachrichten- und produktbewerbenden Kommunikationsnetz im Sinne neuer semantischer Positionierungen ausgewählt und gestaltet wurden.

AES , Islamic Project, Travel Agency to the Future, 2000-3, Graz 1997

AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future, 2000-3, Graz 1997

Eine auf Postkarten, Plakaten, Kaffeetassen und T-Shirts präsentierte Bildersammlung produziert das russische Künstlerkollektiv AES. Zunächst ist einmal der vor allem über Bilder – „High-Tech-Glanzfilme“ – verfügbare, scheinbar grenzenlose Mobilitätsraum und dessen rapider Identitätsverlust eine Grundlage der gewählten Methodik. „Es hat den Anschein, die Welt könnte in 10 bis 20 Jahren aussehen wie eine Serie touristischer Ansichtskarten von Sehenswürdigkeiten – national in der Form und post-industriell im Inhalt – und so scheint die Geschichte nunmehr endgültig vorbei zu sein…(AES). Die zu einer Ansichtskartenserie mutierte Welt(Sicht) erschöpft sich nicht in einer linearen, globalisierenden Vereinheitlichung und damit Austauschbarkeit, sie ist von einer übergreifenden kulturellen Mutation bestimmt: Die computergenerierten Veränderungen der gesammelten und zugekauften Vorlagen, die dem Typus Viewpoint entsprechen müssen, zielen auf eine bunte, idyllische, ironisierende Islamisierung der Welt, die weder vor der Peterskirche, dem Roten Platz, dem Centre Pompidou, der Wiener Staatsoper oder der New Yorker Freiheitsstatue Halt macht. Geht es um die Frage, wie die Sehenswürdigkeiten unter der Herrschaft einer fremden Kultur aussehen könnten? Geht es um das Schüren der Angst vor dem islamistischen Terror?

AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future, 2000-3, Graz 1997

AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future, 2000-3, Graz 1997

AES vergleichen ihre in der Mitte der 90er Jahre entwickelte Methode der tatsächlich auch als Islamic Project bezeichneten Werkgruppe mit der der Psychoanalyse: Visualisierung von Komplexen und Phobien, um diese an der Wurzel zu packen. Die groteske virtuelle Realität sei  lediglich das Produkt einer Interaktion zwischen Künstler und Computer und habe wenig Hoffnung, jemals realer zu werden als der Krieg der Sterne. Dieser saloppen Einschätzung können wir auch nach dem tragischen 11. September folgen, zumal selbst auf der US-amerikanischen Argumentationsbörse der Index in Bezug auf die Kraft des Bösen nicht in Richtung gegenläufiger Globalisierung. Diese wird die in der Reichweite vorprogrammierte, durch wirtschaftliche Faktoren des Westens festgelegte Grenze nur in Ausnahmefällen überschreiten. Mit Life-Fotos werden bunte collagierte Bilder produziert, die das Low-Tech-Pendant zur mediatisierten Gesellschaft und ihrer Bildindustrie darstellen. Auf den flexibel verbreiteten Bildträgern werden Ort und Jahr des Faceliftings in deutlicher Anspielung an das Logo von United Colors zitiert, eine Firma, die selbst weltweit mit ungewöhnlichen Bildmotiven wirbt. Da die Arbeit von AES so weit in den kulturellen und politischen Raum hinein reicht und mehr oder weniger gezielte Angstmacherei evozieren könnte, kommt die Frage nach einer „political correctness“ nicht von ungefähr, die Antwort ebenso nicht: „Das Leben selbst verläuft auch nicht politisch korrekt. Weshalb sollte die Kunst es dann schon sein?“

AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future, 2000-3, Graz 1997

AES, Islamic Project, Travel Agency to the Future, 2000-3, Graz 1997

Die Gestaltung im politischen Raum läuft hier auf einer anderen Ebene ab: Sie spielt mit der Angst vor dem islamischen Fundamentalismus auf eine Art und Weise, die direkt einem Lehrbuch über den Widerstand gegen die von Bildern angeregte und ausgeübte mediale Konsumations- und Kontrollebene entnommen scheint. Anti-Mythos kontra Mythos, manipulierte Collage gegen Manipulationscollage. Das heißt, die gängigen Verfahren werden in der Zuspitzung auf eine ins Bild gesetzte Bedrohung aufgedeckt. Letztlich kann und will AES aufzeigen, dass jedes beliebige Bild, mit entsprechenden Konnotationen der Angst, des Vorurteils versehen, produzierbar und auf der Ebene eines bestimmten ästhetischen Standards, dem „offizieller“ Postkarten und Poster, eine gültige und verbindliche Wirkung zu entfalten imstande ist. Was als Projektion in manipulatorischer Technik nicht mehr nur zum „Tagesgeschäft“ der Karikaturisten und Cartoonisten gehört, wird in der Professionalität „ästhetischer Gültigkeit“, in der Verarbeitung geläufiger Bildstandards längst auf der politischen und wirtschaftlichen Ebene zum Einsatz gebracht. Als verwegen und brisant stellen sich die ethnischen und kulturellen Markierungen heraus, zumal sie ein explosives Konfliktpotential über romantisierend exotische, an die nahe Zukunft adressierte „Bestandsaufnahmen“ zur Ansicht bringen. Diese Nachfolgemodelle einer Vedutenmalerei sparen als Kalkül das Gewaltpotential hinter der farbig glänzenden Oberfläche aus.

Partikularismus versus Inszenierung

Vor dem Hintergrund des „Spektakels“ muss sich der Blick auf unterscheidbare künstlerische Optionen richten, was die konzeptuelle und visuelle Disposition des Themas betrifft. Jenseits des oben erwähnten Paradigmas des Dokumentarismus, der in die Anonymität der Kameramänner abgewandert ist, rücken Distanzen wie Nähe und Ferne, auf der physischen wie auf der zeichensprachlichen Ebene, ins Blickfeld. Der in seiner Deutlichkeit überraschende ikonische Analogismus in den Inszenierungen von Sanjin Jukić, sowohl in seiner äußeren Erscheinungsform als auch in seiner Methode, wirft grundsätzliche Fragen in Richtung der künstlerischen Darstellungsmöglichkeiten im Sinne einer zusammenfassenden Weltsicht gegenüber partikularen Schwerpunktsetzungen auf.

Sanjin Jukić, Marlboro Redesign as a Phantom of Liberty for Film Mizaldo. Graz, Neue Galerie 1994

Sanjin Jukić, Marlboro Redesign as a Phantom of Liberty for Film Mizaldo. Graz, Neue Galerie 1994

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht dabei in keiner Weise um die Unterdrückung von Bezugssystemen, die in „Sarajevo Ghetto Spectacle“ den regionalen Konfliktherd mit globalen politischen und wirtschaftlichen Strategien verknüpfen. Eine Reihe von Beispielen der seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgten klaren Veränderung der Sprachmodi, die speziell im Themenbereich Krieg, Gewalt, Politik nicht zuletzt auf die immer wieder reproduzierten traditionellen Muster der Betroffenheitsattitüden reagieren, steuern auf unterschiedliche Weise die Methode des Partikularismus an. Otto Dix musste alles mit eigenen Augen sehen, um zu bestätigen, dass es so ist. Mit dieser Argumentation ist er freiwillig in den Krieg gezogen. Wir wissen heute, wie es ist, nicht nur im Krieg, weil die Bildsignale der Informationen funktionieren und uns überall erreichen, vor allem zuhause. Aber wissen wir trotz der Nachrichtenflut „wirklich“ (nicht im Sinne einer oberflächlichen Ablagerung, sondern einer referentiellen Spur), was im Krieg passiert? Kann uns die Kunst Vorstellungen davon vermitteln, wenn sie das Grauen modelliert? Sind es nicht vielmehr die Zusammenhänge, die uns nicht die „objektive Berichterstattung“, aber der informationsverarbeitende journalistische Kommentar liefert, die zu einer ansatzweisen Orientierung führen? Wir zoomen, real und gedanklich, auf die Zeichenfülle und setzen uns der Gefahr aus, dass im perpetuierten BlowUp (wie schon bei Antonioni) die letzte brauchbare Information verschwindet. Mit dieser Erfahrung leben auch die KünstlerInnen, die sich Realphänomenen „aussetzen“. Der vordergründig eingestellte Fokus der Authentizität des Blicks kann eine Handlung, einen Vorgang und die daraus resultierende Betrachtungsweise verstellen. Denn erst aus der Richtung, aus der Gerichtetheit der Betrachtungsweise lassen sich Zusammenhänge erschließen, Analysen einleiten. Das Infragestellen des Parameters des Authentischen kann zur Entscheidung zugunsten der Partikularität führen, aus dem Wissen, dass Fragmente „wirklicher“ als das Ganze sein können. Die große, die (Bild)Welt umspannende gestalterische Geste hat vor dem Hintergrund aktueller Bildsignale ihre Überzeugungskraft eingebüßt, dem Kathartischen als Sonderform des Aufklärerischen ist nicht mehr zu trauen angesichts der entscheidenden Bezugssysteme, die jeweils ihren einzelnen sorgfältigen Kommentar erfordern, um sichtbar und erlebbar zu werden. In der Arbeit an möglichen Referenzknoten, die sich immer als differenzierter erweisen als zunächst angenommen, gerade dann, wenn man die einfachen Schwarz-Weiß-Kontraste und ihre Wirkung als untaugliche Modi künstlerischer Argumentation ausklammert, liegt die Chance, einen exakteren Diskurs auszulösen. Diese Ansätze müssen konsequenterweise auf die traditionelle Emphase als zentrales Gestaltungskriterium verzichten.

Martha Rosler, It Lingers / Es geht weiter, KRIEG. Graz 1993

Martha Rosler, It Lingers / Es geht weiter, KRIEG. Graz 1993

Am Beispiel von Martha Roslers Arbeit „It lingers“ (1993) kann wegen des Ensemblecharakters, der wie selbstverständlich eine Gesamtsicht zu evozieren scheint, der partikulare Ansatz verdeutlicht werden. Unter den 19 Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografien, einer Zeichnung und 37 fotokopierten Landkarten, die ikonische Bilder des Kriegs (vor allem des Zweiten Weltkriegs, des Golf- und Irakkriegs) „aufrufen,“ scheinen sich auf den ersten Blick keine direkten Verbindungen zu ergeben, sieht man von der konzeptuell transportierten Intention ab, je ein wichtiges Bild aus der Heimat der Künstlerin, den USA, sowie aus dem Land des Ausstellungsortes (Österreich/Graz) zentral zu platzieren: Dabei handelt es sich um eine mit einem Kommentar versehene Reproduktion des Iwo-Jima-Denkmals, eines Marinesoldaten-Memorials anlässlich eines wichtigen Siegs im Pazifikkrieg, in Arlington (an einem Ehrenplatz einer Wohnung aufgenommen) und um ein Hitler-Porträt aus einem auf dem Wiener Flohmarkt erworbenen Buch. Die weiteren Bilder und Texte sollen „Zusammenhänge zwischen militärischen Gedenkfeiern und der Militarisierung des Alltagslebens deutlich machen“13Martha Rosler, in: Krieg,  op.cit., Bd 1, Graz 1993, S. 116. Das von Rosler gewählte Verfahren folgt (auch) hier der Metonymie und nicht der im Zusammenhang mit diesem Themenkomplex häufig verwendeten Metapher. So steht der ursprüngliche Signifikant – in diesem Fall besonders deutlich durch die Fotodokumente – jederzeit als Bezugsraster zur Verfügung. Da es sich aber um eine Reihe unterschiedlicher Signifikanten handelt, denen zwar, in unterschiedlicher Weise, mit Krieg verknüpfte Handlungen gemeinsam sind, bleibt die narrative Struktur als Lesart ausgeklammert. Über partikuläre Ereignisse erschließt sich ein Thema, dessen Komplexität sich, in der Anordnung strukturiert, im Dialog mit dem Betrachter voll entfaltet.

Martha Rosler, It Lingers / Es geht weiter, KRIEG. Graz 1993

Martha Rosler, It Lingers / Es geht weiter, KRIEG. Graz 1993

Unter den Fotodokumenten fällt auf, dass die Hissung der US-amerikanischen Flagge in zwei Versionen auftaucht: einmal als Monument, das andere Mal als Dokument einer Kampfhandlung. Die formale Verbindung der beiden Bilder besteht in der dynamischen Diagonale des Fahnenmastes. Diese heroischen Kompositionen werfen als offensichtlich unverrückbare Typologie ihre Schatten auf den 11. September voraus und verbinden in einem (fast) gleichlautenden Gestus des nationalen Stolzes bzw. der nationalen Solidarität kaum zurückliegende Gegenwart mit der Vergangenheit, wenn New Yorker Feuerwehrmänner an Stelle der Soldaten den Sternenbanner aufrichten.14AMERICA’S DARKEST DAY by David Friend: http://dirckhalstead.org/issue0110/friend.htm Der einzige Unterschied zu den weiter zurückliegenden historischen Dokumenten besteht darin, dass der Anlass für den symbolischen Akt der Überwindung einer menschlichen Katastrophe und einer politischen Demütigung – die Ruinen der Twin Towers – im Bild erscheint, in den älteren historischen Dokumenten hingegen die aus der Untersicht vorgenommene Monumentalisierung den Blick auf den zeitlosen Himmel freigibt.

Hannes Priesch, Paint the Town Red, White and Blue, A Flag Series, 2002

Hannes Priesch, Paint the Town Red, White and Blue, A Flag Series, 2002

Auf der Ebene der „Bilder nach den Bildern“ argumentiert künstlerisch der in New York lebende Österreicher Hannes Priesch in seiner aktuellen Präsentation „Paint the Town Red, White and Blue. A Flag Series“. „Die Omnipräsenz der amerikanischen Flagge in den USA als Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 ist ein unübersehbares Zeichen der Gemeinschaft einer an sich multi-ethnischen Gesellschaft. Dieses Symbol scheint bindendes Glied zwischen allen Amerikanern zu sein. Die vormals kritische Distanz vieler US-Bürger gegenüber dem „Big Apple“ hat sich in selbstverständliche Solidarität gewandelt. New York ist, als ein Ort der Angriffsserie vom 11.9. mit dem übrigen Amerika zusammen gewachsen“. 15Aus dem Einladungstext zur Ausstellung, die vom 22.3. – 30.06.2002 in der Sammlung Essl in Klosterneuburg bei Wien stattfindet.

Im Gegensatz zu Martha Roslers Netzwerk einer referentiellen Matrix kristallisiert Hans Haacke in seinen Projekten zum Krieg, um es überspitzt zu formulieren, eine aktuelle Opfer-Täter-Beziehung aus. Sein scheinbar direkt ins Werk gesetzter Index bezieht sich nicht auf den sichtbaren, den anwesenden Referenten, sondern in einer weiteren, entscheidenden Tiefenschicht, auf den unsichtbaren (besser: unsichtbar bleiben wollenden).

Hans Haacke, Hippokratie, Skulptur Projekte, Münster 1987

Hans Haacke, Hippokratie, Skulptur Projekte, Münster 1987

Wenn er im Entwurf für das Skulptur Projekt Münster 1987 einem Bus der städtischen Verkehrsbetriebe nach dem Muster der Ganzlackierung für Werbezwecke unter dem Titel „Hippokratie“ ein Tarnmuster verpassen wollte und den „Werbe“-Text in der Art eines Teasers als Frage – „Was haben HIPPOS und dieser Bus gemeinsam?“ – formulierte, dann zielte diese von der öffentlichen Verwaltung letztendlich nicht genehmigte Aktion auf das Ergebnis einer ausführlichen Recherche und deren Offenlegung: Mercedes-Benz produzierte für die südafrikanische Apartheid-Regierung unter dem Namen Hippo eine Reihe von „Nutzfahrzeugen“, die im Kampf gegen die schwarze Bevölkerung eingesetzt wurden. Auf dasselbe Bürgerkriegsterritorium richtete sich die Installation Kontinuität auf der documenta 1987. Hier bildete die Begräbniszeremonie für das Opfer der südafrikanischen Polizei, in den Rahmen des Logos der Deutschen Bank gesetzt, das zentrale Motiv. Jene Deutsche Bank, die mit dem Aufbau ihrer Sammlung ein enormes finanzielles Potential für die Kunst zur Verfügung stellte (und stellt), aber nicht willens und in der Lage ist, politische Forderungen zu stellen, weil sie diese gegenüber vielen, vielen Geschäftspartnern stellen müsste und das nicht als ihre Aufgabe sieht.16documenta 8, Katalog Bd. 2, Kassel 1987, S.93

Hans Haacke, Die Fahne hoch, München Propyläen, 1991

Hans Haacke, Die Fahne hoch, ArgusAuge, München Propyläen1991

Schwarze Fahnen vor der Fassade der Münchener Propyläen (als Beitrag zum Projekt „ArgusAuge“, 1991) trugen eine Liste jener renommierten Unternehmen, die sowohl in der Nazi-Zeit als auch im damals aktuellen Golfkrieg ihre gewinnorientierten Finger im Spiel hatten; ein zentrales Fahnentuch im mittleren Durchgang des klassizistischen Bauwerks rief die deutsche Industrie bezüglich ihrer Rolle im Irak-Krieg unter dem Logo eines Totenkopfs Zum Appell.17In Anspielung auf NS-Zeremonien in den ehemaligen „Ehrentempeln“, die der jährlichen Ehrung der „Märtyrer der Bewegung“ galten. Haacke entfernt sich mit diesen Arbeiten nicht vom Thema Krieg in Richtung allgemeiner politischer Aufklärung, er legt vielmehr ein entscheidendes Bezugssystem frei, das im metonymischen Sinn das eingangs zitierte Opfer-Täter-Schema zur Anschauung bringt und die Ursachen bzw. Bedingungen kriegerischer Handlungen bloßstellt. Wie sehr die visuelle Aufbereitung im Stil der nationalsozialistischen „Festästhetik“ in ihrem Wahrheitsanspruch überzeugte, geht unter anderem daraus hervor, dass die in einem Nachrichtenmagazin bereits zuvor (teilweise) veröffentlichten Namen auf den Flaggen, von Haacke im Katalogbeitrag minutiös mit ihren historischen und gegenwärtigen Beteiligungen auf den Kriegsschauplätzen aufgelistet und in ihren aktuellen Argumentationen verfolgt18„Nach dem Wüstensturm veröffentlichten die Untertürkheimer Wehrwirtschaftsführer auf eigene Kosten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Geständnis: ‚Wir sind fasziniert vom Fortschritt der Technik und setzen uns dafür ein, dass alles noch besser und perfekter funktioniert. Darüber vergessen wir leicht, dass es noch andere Dinge gibt, die für unser Leben wichtig sind: die Kunst zum Beispiel. Indem wir sie in unseren Alltag mit einbeziehen, gibt sie uns immer wieder neue Anstöße – für eine neue Sicht der Dinge.’ „ Hans Haacke, Arbeiter der Faust & Arbeiter der Stirn, in: Werner Fenz (Hg.), ArgusAuge, Ausstellungskatalog, Städtische Galerie im Lenbachhaus: München 1991, aufgrund der Klage eines der beteiligten Unternehmen zu entfernen gewesen wären.19Obwohl das Urteil gefällt worden war, dauerte die bescheidmäßige Zustellung bis nach dem Ende der Ausstellung Mit dieser Haltung tritt Haacke den leidenschaftlich geformten, in den Freiraum der Kunst übertragenen Übersetzungen gegenüber. Nicht, was das Ausmaß der Betroffenheit ausmacht, wohl aber, wie es scheint, in der Wahl der entsprechenden kurzen Distanz. Diese schlägt sich in erster Linie auf der Rezeptionsebene nieder und zeigt im Sinne des angepeilten direkten Index ihre Wirkung. Zu dem durch den gewählten Distanz-Parameter ins Zentrum gerückten Inhalt-Form-Status äußerte sich Haacke unter anderem in seinem Gespräch mit Pierre Bourdieu.20Pierre Bourdieu, Hans Haacke, Freier Austausch. Für die Unabhängigkeit der Phantasie und des Denkens, S. Fischer: Frankfurt am Main, 1995 Ausgehend von dem im politischen Raum besonders sensibel registrierten Verhältnis zwischen Form und Inhalt erklärt er, dass es nicht angemessen sei, ausschließlich auf die eine oder andere Weise ein Kunstwerk zu verstehen und zu erfahren: „Die ‘Formen’ sprechen, und der ‘Inhalt’ ist in ‘Formen’ chiffriert. Das Ganze ist unweigerlich von Ideologie durchsetzt“. Diese Ideologie ist für Haacke Bestandteil jedes Kunstwerks, ob aus der Vergangenheit, der Gegenwart, ob im Kunstraum oder im öffentlichen Raum, ob mit kunstimmanent ästhetischen oder „außer-künstlerischen“ (Clement Greenberg) Elementen versehen. Die Form jedes Kunstwerks sei ebenso politisch wie der Inhalt, da sie ebenso ein Protokoll der Zeit ausbilde und diese unter ihren jeweils spezifischen Determinanten stehe. Damit wird generell die Politisierung gesellschaftlicher Strukturen und – da sie nur in dieses System eingebettet funktionieren und wahrgenommen werden kann – der Kunst im besonderen angesprochen.

Hans Haacke, Die Fahne hoch, München Propyläen, 1991

Hans Haacke, Die Fahne hoch, ArgusAuge, München Propyläen, 1991

„Es ist evident, dass Haackes Augenmerk den überlieferten Mythen innerhalb der Kunstwelt und den Standpunkten der Künstler selbst gilt. An vorderster Stelle steht dabei seine kritische Frage nach dem gefährlichen Mythos von der existentiellen Wahrheit des subjektiven Ausdrucks, der verwandten Idee des ‚Genies’ und dem zweifelhaften, zwischenmenschlichen Wert solcher Subjektivität. Haacke richtet sich mit seinem nicht-spezialisierten, nicht-ästhetischen Diskurs nicht nur an die Kunstwelt allein, sondern an alle.“21Edward F. Fry, documenta 8, Katalog Bd. 2, Kassel 1987, S.92 Kann der „Mythos von der existentiellen Wahrheit des subjektiven Ausdrucks“ einen nicht unwesentlichen Aspekt für Haackes künstlerische Verfahren und Anordnungen charakterisieren, muss die Behauptung eines nicht-ästhetischen Diskurses auf Widerspruch stoßen. Damit würde eine Reihe brisanter künstlerischer Handlungsformen, nicht nur, aber auch für dieses Thema, die nach diesem Muster zu charakterisieren wären, ins Abseits einer persönlichen Akzeptanz und darüber hinaus der subsumierten Bedeutung für einen entscheidenden Paradigmenwechsel gedrängt. Gerade die Tatsache, dass sich der ästhetische Diskurs unter Einbeziehung nicht-ästhetischer Faktoren, deren Wahrnehmungsqualität erst durch die bildhafte Umsetzung gegeben ist, entscheidend verändert und dadurch auf einen neuen, intensiven inhaltlichen Transportmodus konzentrierte, steht vielfach nicht nur für den Wandel, sondern für die verstärkte – unter referentiellen Gesichtspunkten stehende – Akzeptanz der künstlerischen Positionierung.

Beate Passow, Andreas von Weizsäcker, Wunden der Erinnerung, 1993 – 1995

Eine jener Künstlerinnen, die sich über einen langen Zeitraum mit der historisch „verzweigten Zeit“ und deren unverrückbarer Bedeutung für die Gegenwart auseinandersetzt, ist Beate Passow. Immer wieder von Neuem und von neuen Seiten gießt sie von der Gegenwart aus die tiefen Spuren der Geschichte aus und erneuert in facettenreichen ästhetischen Anordnungen deren aktuelles Potential. Im Mittelpunkt stehen auf der einen Seite entscheidende Handlungen auf „Nebenschauplätzen“ der kriegerischen Gewaltakte, auf der anderen Seite werden die bis heute sichtbaren Spuren der Schändung offen gelegt. Für die „Bezugspunkte 38/88“ ordnete Passow an der Fassade des bischöflichen Palais in Graz zwei Schwarz-Weiß-Fotos, einen Laufschrift-Balken und zwei Lautsprecher an. Die beiden Porträts – Papst Pius XII. und Thomas Mann – stehen einander gegenüber: Das Oberhaupt der katholischen Kirche in statisch repräsentativer Haltung, der Schriftsteller vor dem Mikrofon unterstützt seine Rede mit einer ausdrucksstarken Gebärde der Hand. So sind zwei Zeitzeugen der Nazi-Herrschaft miteinander über die Physiognomie und damit metonymisch mit ihrer politischen Haltung konfrontiert. Die über BBC ausgestrahlten Aufrufe an seine deutschen Landsleute – von Zeit zu Zeit in der Installation akustisch oder auf dem Display wiedergegeben – weisen Mann als einen der Intellektuellen aus, die damals und heute im Gegensatz zu vielen Amts- und Würdenträgern, nicht stumm geblieben sind. Bei den „Wunden der Erinnerung“ (gemeinsam mit Andreas von Weizsäcker, 1993-1995) handelt es sich um eine längerfristige Recherche in den sieben Nachbarländern Deutschlands mit dem Ziel, nach 50 Jahren die Spuren von Einschusslöchern und Granatsplittern an allen nur vorstellbaren Objekten – Gebäuden, Bäumen oder Büchern – aufzusuchen und durch das Vorsetzen einer Glasplatte mit dem Text „Wunden der Erinnerung“ als Memorialbilder zu rahmen. Auf diese Weise findet ein Transfer immer noch vorhandener realer Verletzungen am Beispiel substitutierter Körper sowohl auf die Emotionsebene der Geschichte als auch auf eine nicht immer präsente Bewusstseinslage der Gegenwart statt.

Beate Passow, Zähler/Nenner, 1995-1997

Beate Passow, Zähler/Nenner, 1995-1997

Den nicht mehr auslöschbaren Spuren am Menschen ist die Arbeit“Zähler=Nenner (Numerologie)“, 1995-1997, gewidmet. Ausgehend vom Wissen, dass an die vierhunderttausend Personen – Juden, Zigeuner, Erziehungshäftlinge oder russische Kriegsgefangene – über tätowierte Nummern an ihrem linken Unterarm registriert worden waren, suchte Passow den Kontakt zu Überlebenden. Einige von ihnen gelang es zu überzeugen, dieses Brandmal fotografisch festhalten zu lassen. Der Typus der Darstellung verzichtete auf unterschiedliche künstlerische Modellierungen am Signifikanten: Vor einem immer gleichbleibenden monochromen Hintergrund ragt der ausgestreckte Arm von rechts nach links ins Bild. Durch die Betonung einer anonymen seriellen Anordnung scheint das distanzierte Verhältnis im Mittelpunkt zu stehen. Dieser Abstand-Parameter weist jedoch aus der Sicht des stringenten Konzepts einerseits jedoch auf das vorprogrammierte Scheitern einer ins Bildhafte übertragenen individuellen Subjekt-zu-Subjekt-Beziehung hin, andererseits steigert er die Möglichkeit, die als Schändung eingesetzte Registrierung in ihrer wie endlosen Reproduzierbarkeit gleichermaßen als historische wie als zeitlos projizierbare Wahnsinnstat zu entlarven.

Lokalisierungsansätze öffentlicher Kunst

Dieses persönliche Spurensuchen und Spurenfinden lässt einen kurzen Blick auf Beispiele (meist) beauftragter kollektiver Erinnerungsobjekte sinnvoll erscheinen. Die am Ende des vergangenen Jahrhunderts immer wieder ausführlich geführte Denkmal-Debatte ist in segmenthafter Form weitaus charakteristischer für einen künstlerischen als für einen politischen Paradigmenwechsel. Bemerkenswert, aber ebenso verständlich, ist in erster Linie die Tatsache, dass diese Debatte in einem Zeitraum geführt wurde, in dem entscheidende Positionierungen der Kunst sich intensiv dem gesellschaftspolitischen Umfeld zugewandt hatten und daher auch im öffentlichen Raum geführt werden wollten. Dennoch sahen sich die KünstlerInnen dem Menetekel des Monumentalen, des Unverrückbaren, sich gegen Aufmerksamkeit Imprägnierenden (Robert Musil) gegenüber. Auf dem Weg von den drop sculptures zur site specifity hatte die Kunst im öffentlichen Raum bereits entscheidende Entwicklungsschritte zurückgelegt, die Verortung künstlerischer Zeichen und ästhetischer Interventionen traf nicht nur für hier apostrophierte „Strategien des Erinnerns“ zu.22Eine Publikation unter dem gleichnamigen Titel – Christoph Heinrich, Strategien des Erinnerns, München: Schreiber, 1993 – spricht einleitend “ Das Denkmal in den achtziger Jahren zwischen Auftragsarbeit und autonomem Kunstwerk“ an.

In diesem ständig weiter entwickelten Diskurs über die Kunst im öffentlichen Raum fällt zunächst auf, dass die Zentrierung auf inhaltliche und funktionale Strukturen die Ausbildung einer neuen Grammatik belebt, die in vielen Fällen das Tabu der „Differenzschwelle“ zur Alltagsrealität bricht und dadurch erst zu einem „Störfaktor“ der konventionellen Ästhetisierung wird.23Auf diese „Differenzschwelle“ als entscheidendes Faktum im Umgang mit und in der Rezeption von Gegenwartskunst im öffentlichen Raum habe ich mehrfach hingewiesen, z.B. in: „2000-3. Artspace plus Interface“, Ausstellungskatalog (1997) und CD-ROM (1999) zur gleichnamigen Ausstellung der Neuen Galerie,  Graz, im „steirischen herbst“ 1997 Die künstlerische Intervention kann nicht sofort als Kunstwerk erkannt und eingeordnet werden. Sie erschließt sich innerhalb eines festgefügten Zeichensystems als Irritation, als Imitation oder als Verfremdung. Das heißt, dass wir über einen neuen Werkcharakter der Kunst nachzudenken haben. In dem Sinne vielleicht, den Michel Foucault seinem Begriff der Heterotopien gegeben hat. Als Gegenpol zu den Utopien bezeichnen sie nicht die Platzierungen ohne wirklichen Ort, nicht die im wesentlichen unwirklichen Räume. Sondern: die wirksamen Orte, die in jede Kultur eingezeichnet sind, ohne dabei schon reale Plätze zu sein.24Vgl. Michel Foucault, Andere Räume, in: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Reclam: Leipzig 1990, S.34-46 Versehen mit einer formalen Gestaltung, die diesen „wirksamen Orten“ ihre unmissverständliche Eigenheit bestätigt und diese nach außen kehrt. Wenn in dieser „Lokalisierung“ auch die immer stärker in Erscheinung tretenden Impulse für eine „Kunst des Öffentlichen“, also einer weniger objektbezogenen als vielmehr gesellschaftlich und sozial strukturbezogenen künstlerischen Argumentationen enthalten sind, spiegelt sie eine Reihe aktueller Handlungsformen wider.

Chancen und Gefahren beauftragten Erinnerns

Einer der klarsten Indikatoren für die Veränderung des Denkmalbegriffs findet sich im Werk von Jochen Gerz. Sein gemeinsam mit seiner Frau Esther 1996 entwickeltes, bisher nicht realisiertes Projekt „Die Gänse vom Feliferhof“ stellt ein anschauliches Beispiel dar. Am Feliferhof, dem Schießplatz des Österreichischen Bundesheeres am Rand von Graz, fand eine große Zahl von Hinrichtungen, auch von Zivilisten, statt.

Jochen Gerz, Die Gänse vom Feliferhof, Projektentwurf, Graz 1996

Jochen Gerz, Die Gänse vom Feliferhof, Projektentwurf, Graz 1996

Das von Gerz für einen vom Bundesheer angeregten Wettbewerb vorgeschlagene Siegerprojekt besteht sowohl aus einem unkonventionellen Zeichenrepertoire als auch aus interaktiven Prozessen. Vier Fahnenstangen sind an dem für die Gedenkstätte vorgesehenen Ort geradlinig und in gleichem Abstand von 10 Metern über die Wiese verteilt. Die weißen Fahnen sind schlicht und doch auffallend rot mit Slogans beschriftet: Auf Mut steht der Tod – Verrat am Land wird dekoriert – Barbarei ist die Soldatenbraut – Soldaten so heißen auch wir.

„Der Künstler als Historiker“, als Zeichensetzer aus einem bestimmten Anlass und Auftrag heraus, geht an diesem Beispiel von der von ihm nicht erstmals offen gelegten zentralen Überzeugung aus, dass Verantwortung – Verantwortung für das Erinnern – nicht delegierbar sein kann. Damit unterscheidet sich der künstlerische Ansatz von Esther und Jochen Gerz von jener Denkmal-Kunst, die zum Teil auch heute noch mit monumentalem oder expressivem Formenvokabular einer solchen Themenstellung „beizukommen“ versucht (das Antifaschismus-Denkmal von Alfred Hrdlicka auf dem Wiener Albertinaplatz verkörpert beispielsweise diesen Typus).

Jochen Gerz, Die Gänse vom Feliferhof, Projektentwurf, Graz 1996

Jochen Gerz, Die Gänse vom Feliferhof, Projektentwurf, Graz 1996

Die Fahnen bilden als ästhetisches Zeichen nur ein semiotisches Grundgerüst. Denn bei jeder Benutzung des Feliferhofs werden sie neu installiert: Sie werden an eine Gruppe von Rekruten ausgegeben, die sie an der jeweiligen Vorrichtung hissen. Beim Verlassen des Schießplatzes sind die mobilen Zeichen von diesen Rekruten wieder einzuholen und zu verwahren. Das heißt, dass der bedruckte Fahnenstoff die Präsenz der Soldaten markiert. So sind auch Präsenz und Absenz der Fahnen abhängig von der Anwesenheit oder Abwesenheit des Militärs. Damit sind die Zeichen der Erinnerung und damit das Mahnmal als Projekt handlungsbezogen. Die Lesbarkeit (und Wirksamkeit) der Zeichen ist abhängig davon, ob erinnert wird (erinnert werden will) oder nicht. So hängt die Gegenwart (nicht nur der Fahnen) vom Bewusstsein der Erinnerung und der Bereitschaft dazu ab. Zwischen Erinnern und Vergessen liegt ein auferlegter Entscheidungsprozeß. Nicht das einzelne Zeichen, sondern dieser Prozess stellt „das Ganze“ dar. In weiterer Folge soll auch die innere Semiotik des Zeichens, also der Text, an jene, für die die Zeichen in erster Linie bestimmt sind, delegiert werden. Das „Denkmal in progress“ sah vor, dass die künftigen Textbotschaften auf den Fahnen jährlich von den Rekruten selbst, anfangs gemeinsam mit dem Künstlerpaar, formuliert, die „alten“ Fahnen in die Sammlung des Wiener Heeresgeschichtlichen Museums aufgenommen werden.

Jenny Holzer, Friedensdenkmal, Erlauf 1995

Jenny Holzer, Friedensdenkmal, Erlauf 1995

Ein ungewöhnlich direkter Vergleich zwischen älterer Denkmaltradition und einer avancierten Neuformatierung bietet sich uns in der kleinen niederösterreichischen Gemeinde Erlauf auf ein und demselben Platz. Anlass dazu gab die in der Gemeinde stattgefundene erste gemeinsame Siegesfeier von Vertretern amerikanischer und sowjetischer Truppen nach der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands am 8. Mai 1945 und das Gedenken an den 50. Jahrestag der Ereignisse. Stellvertretend für das Zusammenfinden der beiden alliierten Großmächte lud die Gemeinde mit Oleg Komov und Jenny Holzer einen Ost-Künstler und eine West-Künstlerin zur Gestaltung der 1995 fertiggestellten Friedensgedenkstätte ein. Nach einem gemeinsamen Besuch entwickelten die beiden Künstler diametral entgegengesetzte Konzepte, die sowohl ganz allgemein die damals unterschiedlichen Kunstauffassungen als auch den künstlerischen Zugang zum Erinnern zu repräsentieren scheinen. Dazu muss aber ausdrücklich festgehalten werden, dass die Auswahl von Oleg Komov durch die stellvertretende sowjetische Kulturministerin der damals noch geübten politischen Praxis entsprach, einen Großauftrag im Ausland an einen „Volkskünstler der UdSSR“ zu vergeben, nicht mehr allerdings der Kunstpraxis im Land selbst. Im Unterschied dazu wurde Jenny Holzer auf Vorschlag einer Jury nominiert.

Oleg Komov, Friedensdenkmal, Erlauf 1995

Oleg Komov, Friedensdenkmal, Erlauf 1995

So überrascht es nicht, dass sich Komov der traditionellen und hundertfach (sowohl in seinem Staat als auch in anderen Staaten) eingeübten Denkmalsprache bediente. Ein sowjetischer und ein amerikanischer Offizier, in Bronze gegossen, mit Blumensträußen in den Händen, symbolisieren auf einem hohen Sockel in entspannter Haltung und mit einem Lächeln im Gesicht freundliche Annäherung. Unterstützt, besser: entscheidend inszeniert, wird dieses mimetische Schauspiel durch das zwischen den beiden Soldaten stehende junge Mädchen,das mit den Armen eine unmitterlbar-körperliche Verbindung herstellt, die inhaltlich und formal die Aussage noch greifbarer macht.25Die Künstlerin Milica Tomic aus Belgrad nützte die Szene für eine Foto-Performance, in der sie selbst das kleine Mädchen ersetzte.

Jenny Holzer, Friedensdenkmal, Erlauf 1995

Jenny Holzer, Friedensdenkmal, Erlauf 1995

Unter Einbeziehung eines Bepflanzungskonzeptes für den Hauptplatz, der Verwendung einer Lichtsäule und einer oktogonalen Stele rückt Jenny Holzer, ihren bis dahin bekannten Arbeiten im öffentlichen Raum folgend, Texte in den Mittelpunkt des Gedenkzeichens. In Steinplatten, die den Weg durch den kleinen Park markieren, sind auf der einen Seite 37 deutsche, auf der anderen Seite 36 englische Satzfragmente eingraviert. Im Oktogon treffen sie aufeinander. Die Textbotschaften scheinen zunächst ohne Zusammenhang für sich zu stehen. In wiederholten Lesarten oszillieren sie zwischen Persönlichem, Politischem und Historischem. Nur einmal, in der Kurzform „Beraubte Juden“, nehmen sie auf eine konkrete geschichtliche Epoche, die mit dem Anlaß für die Friedensgedenkstätte korrespondiert, Bezug, verändern aber dadurch die Lesart des übrigen Textes entscheidend. Fürs erste scheint Holzers Textcollage gegenüber den klaren, wenn auch nicht plakativen, Slogans der achtziger Jahre poetisch entschärft. Erst in einer eingehenderen Analyse des Sprachgebrauchs stellen sich zeitbezogene „Übersetzungen“ ein, die zwischen Gegenwart und Vergangenheit pendeln und von Macht, Liebe, Verletzung, Ohnmacht und Entfremdung sprechen.26Z.B.: WER MILCH GAB – AUF DEN ABTRANSPORT WARTEN – ICH STRECKE MEINE ARME NACH IHM AUS – SIE VERGLEICHEN IHRE UHREN – BEREIT SEIN STILL ZU HALTEN – SOHN EINES VERGEWALTIGERS – VOLL MIT GESCHLUCKTEM BLUT – DER SOLDAT SCHLÄGT DIR IN DEN MAGEN

Das Bildformat Krieg, so machen es die ausgewählten Beispiele deutlich, scheint intensiver „vorgrundiert“ zu sein als andere künstlerische Formate. Einen wesentlichen Teil der immer wieder durchscheinenden Struktur bilden in die Annäherungen eingeschlossene „fixe Größen“: Von unterschiedlicher subjektiver Betroffenheit bis zu auferlegter Erinnerungspflicht, von intentionalen Befragungen mimetischer Bilddokumente bis zu ästhetisch verfaßter Aufklärung, von der Überführung des flächigen Opfer-Täter-Verhältnisses in ein reliefartig modelliertes bis zu den Versuchen, die Verantwortung für Gedenken und Gedanken nicht auf das für sich sprechende Kunstwerk abzuschieben, sondern der Gesellschaft zu übertragen.

Manuskript für die Zeitschrift Kunstforum International  2002, das ohne Angabe von gründen nicht veröffentlicht wurde
AbbildungeN: Museum am Ostwall Dortmund Neue GAlerie Landemuseum JoanneuM Graz  Generali Foundation Wien,  Skupltur projkete Münster, Wikimedia Commons, Archiv Fenz-Kortschak,
Fotos: MAtthias Wähner, HAnnes Priesch, Beate Passov

 

References
1 Vortrag von J. Baudrillard im Rahmen der Veranstaltungsserie „Globalisierung und Gewalt. Perspektiven nach dem 11.September“, Wien, Volkstheater, 17. März 2002.
2 Präsentiert Anfang 2002 im Lenbachhaus München.
3 Aus einem Statement des Künstlers zur Präsentation.
4 Philippe Dubois, Der fotografische Akt, Geschichte und Theorie der Fotografie, Bd. 1, Verlag der Kunst: Amsterdam, Dresden 1998
5 Martha Rosler, Drinnen, Drumherum und nachträgliche Gedanken (zur Dokumentarfotografie), in: Sabine Breitwieser (Hg.), Martha Rosler, Positionen in der Lebenswelt, Wien: Generali Foundation; Köln: König, 1999, S.108.
6 Martha Rosler, Nachrichten und Ansichten vom Krieg, in: Werner Fenz, Christine Frisinghelli (Hg.), KRIEG. 1. Österreichische Triennale zur Fotografie, Bd 2, Graz 1993, S. 83
7 F. Löffler, Otto Dix und der Krieg, Leipzig 1986, S.6
8 F. Löffler, op.cit., S.14
9 „Charlotte Prosenenske hatte sich mit dem Statement, dass Kunst nichts zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme beitragen könne von der Kunst verabschiedet…Als Demokratin baute sie auf die Kraft rationaler Argumentation, die Kunst nicht leisten kann“, in: Alice Creischer, Andreas Siekmann (Hg.), Die Gewalt ist der Rand aller Dinge, Ausstellungskatalog der Generali Foundation, Wien 2002, S. 71. „In Anlehnung an viele Künstler des 20.Jahrhunderts, die es verstanden, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten, betrachtet die WochenKlausur den Kunstbetrieb als eine Möglichkeit, längerfristige Verbesserungen des Zusammenlebens zu erzielen…Überall gibt es Probleme, die sich auf konventionellem Weg nicht lösen lassen und als Thema für ein Kunstprojekt herangezogen werden können“. Pascale Jeannée, Kunst und konkrete Intervention, in: Wolfgang Zinggl (Hg.), WochenKlausur. Gesellschaftspolitischer Aktivismus in der Kunst, Springer: Wien, New York, 2001, S.7
10 KRIEG. 1 .Österreichische Triennale zur Fotografie, Graz 1993
11 Sanjin  Jukić, in: Werner Fenz (Hg.), Sanjin Jukić – Sarajevo Ghetto Spectacle , Graz, Neue Galerie 1994
12 Fred Ritchin, Kriegsspiele, in: Werner Fenz, Christine Frisinghelli (Hg.), KRIEG. 1.Österreichische Triennale zur Fotografie, Bd 1, Graz 1993, S. 57
13 Martha Rosler, in: Krieg,  op.cit., Bd 1, Graz 1993, S. 116
14 AMERICA’S DARKEST DAY by David Friend: http://dirckhalstead.org/issue0110/friend.htm
15 Aus dem Einladungstext zur Ausstellung, die vom 22.3. – 30.06.2002 in der Sammlung Essl in Klosterneuburg bei Wien stattfindet.
16 documenta 8, Katalog Bd. 2, Kassel 1987, S.93
17 In Anspielung auf NS-Zeremonien in den ehemaligen „Ehrentempeln“, die der jährlichen Ehrung der „Märtyrer der Bewegung“ galten.
18 „Nach dem Wüstensturm veröffentlichten die Untertürkheimer Wehrwirtschaftsführer auf eigene Kosten in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Geständnis: ‚Wir sind fasziniert vom Fortschritt der Technik und setzen uns dafür ein, dass alles noch besser und perfekter funktioniert. Darüber vergessen wir leicht, dass es noch andere Dinge gibt, die für unser Leben wichtig sind: die Kunst zum Beispiel. Indem wir sie in unseren Alltag mit einbeziehen, gibt sie uns immer wieder neue Anstöße – für eine neue Sicht der Dinge.’ „ Hans Haacke, Arbeiter der Faust & Arbeiter der Stirn, in: Werner Fenz (Hg.), ArgusAuge, Ausstellungskatalog, Städtische Galerie im Lenbachhaus: München 1991
19 Obwohl das Urteil gefällt worden war, dauerte die bescheidmäßige Zustellung bis nach dem Ende der Ausstellung
20 Pierre Bourdieu, Hans Haacke, Freier Austausch. Für die Unabhängigkeit der Phantasie und des Denkens, S. Fischer: Frankfurt am Main, 1995
21 Edward F. Fry, documenta 8, Katalog Bd. 2, Kassel 1987, S.92
22 Eine Publikation unter dem gleichnamigen Titel – Christoph Heinrich, Strategien des Erinnerns, München: Schreiber, 1993 – spricht einleitend “ Das Denkmal in den achtziger Jahren zwischen Auftragsarbeit und autonomem Kunstwerk“ an.
23 Auf diese „Differenzschwelle“ als entscheidendes Faktum im Umgang mit und in der Rezeption von Gegenwartskunst im öffentlichen Raum habe ich mehrfach hingewiesen, z.B. in: „2000-3. Artspace plus Interface“, Ausstellungskatalog (1997) und CD-ROM (1999) zur gleichnamigen Ausstellung der Neuen Galerie,  Graz, im „steirischen herbst“ 1997
24 Vgl. Michel Foucault, Andere Räume, in: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Reclam: Leipzig 1990, S.34-46
25 Die Künstlerin Milica Tomic aus Belgrad nützte die Szene für eine Foto-Performance, in der sie selbst das kleine Mädchen ersetzte.
26 Z.B.: WER MILCH GAB – AUF DEN ABTRANSPORT WARTEN – ICH STRECKE MEINE ARME NACH IHM AUS – SIE VERGLEICHEN IHRE UHREN – BEREIT SEIN STILL ZU HALTEN – SOHN EINES VERGEWALTIGERS – VOLL MIT GESCHLUCKTEM BLUT – DER SOLDAT SCHLÄGT DIR IN DEN MAGEN